Bewährungsprobe

Praxen testen Behandlungsinfo der Knappschaft

Die elektronische Behandlungsinformation (eBI) der Knappschaft soll Patientendaten aus der Klinik in der Praxis schneller verfügbar machen. Ein Testlauf in Vertragsarztpraxen soll technische Holpersteine des Projektes offenlegen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Eine Gefäßassistentin erläutert einem Patienten das eBI-System im Knappschaftskrankenhaus Bottrop.

Eine Gefäßassistentin erläutert einem Patienten das eBI-System im Knappschaftskrankenhaus Bottrop.

© Ilse Schlingensiepen

BOTTROP. Niedergelassene Ärzte sind bereit, technische Weiterentwicklungen in ihren Praxen zu testen. Voraussetzung ist aber, dass dabei die Alltagstauglichkeit der Anwendungen im Vordergrund steht und die Ärzte die Möglichkeit haben, Fehler zu korrigieren.

Das zeigt sich bei der elektronischen Behandlungsinformation (eBI) der Knappschaft-Bahn-See, die bereits in rund 30 Krankenhäusern zum Einsatz kommt und jetzt auf Praxen ausgeweitet wird.

Über eBI erhalten Kliniken bei der Aufnahme von Patienten aggregierte Daten der Kasse, etwa zu Behandlern, bekannten Diagnosen und verordneten Arzneimitteln. Rund 83.000 Versicherte der Knappschaft nehmen bereits an dem System teil.

Eine zentrale Funktion ist ein Medikations-Check, der unter anderem Arznei-Interaktionen oder fehlerhafte Dosierungen aufzeigt. Um den Informationsfluss nach der Krankenhausentlassung zu verbessern, soll eBI künftig auch niedergelassenen Ärzten zur Verfügung stehen(wir berichteten).

Am medizinischen Sinn des Systems gebe es keine Zweifel, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Knappschaftsärzte Dr. Ulrich Kannapin bei einem Besuch von Ingrid Fischbach, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, im Knappschaftskrankenhaus Bottrop. "Wichtig ist für uns, dass die Praxen herausfinden können, wie viel Arbeitsaufwand damit verbunden ist."

Ein elektronisches System wie eBI habe nur dann Chancen auf die Umsetzung, wenn es problemlos in den Praxisalltag implementiert werden kann. "Die Patienten wollen nicht dasitzen, wenn wir mit dem Rechner spielen, sondern sie wollen sich mit uns unterhalten", betonte Kannapin.

Arzt gewinnt an Sicherheit

Lutz Siewert, niedergelassener Allgemeinmediziner aus Bottrop, testet eBI seit ein paar Wochen. Er begrüßte, dass die Ärzte von Anfang an einbezogen werden. "Wir konnten schon die ersten Fehler im System beheben." Bei den Patienten stoße das Angebot auf positive Resonanz, berichtete er.

Siewert selbst sieht ebenfalls viele Vorteile: "Wir können mehr Sicherheit gewinnen, weil Interaktionen nie auszuschließen sind." Gerade nach der Krankenhaus-Entlassung könne das System dem Arzt wertvolle Informationen liefern.

Bettina am Orde, Direktorin der Knappschaft, hält die enge Kooperation der Kasse mit den Ärzten für einen großen Vorteil. "Wir können auf die Bedarfe in den Praxen reagieren." Das unterscheide eBI von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der Telematik-Infrastruktur.

"Es ist ein Unterschied, ob sie mit den Menschen vor Ort sprechen oder mit Institutionen", sagte am Orde.

Im Knappschaftskrankenhaus Bottrop gehört eBI bereits zur Routine. Nach der Aufnahme eines Patienten seien die Daten in weniger als einer Minute auf den Rechnern aller Ärzte mit einer Zugriffsberechtigung verfügbar, erläuterte der Ärztliche Direktor Professor Gernold Wozniak. Das gelte auch für mobile Endgeräte.

Gerade die Angaben zur Medikation seien entscheidend. Patienten wüssten häufig nicht, welche Arzneimittel sie einnehmen oder früher eingenommen haben. "Auch redundante Therapieversuche können so entfallen." Die Angaben zu den behandelnden Haus- und Fachärzten erleichterten im Bedarfsfall die schnelle Rückfrage.

Was ihn besonders freut: eBI passt sich sehr gut in das weitgehend digitalisierte Umfeld der Gefäßchirurgie im Knappschaftskrankenhaus ein. Schwierigkeiten mit eBI könne eigentlich keine Klinik haben, da es sich um ein PDF-Dokument handele, erläuterte Wozniak.

Stellschraube Interoperabilität

Ein solches System könne nur erfolgreich sein, wenn es mit allen Klinik- und Praxis-Systemen interoperabel ist, sagte Staatssekretärin Fischbach. Sie findet die Erfahrungen der Knappschaft mit eBI ermutigend. "Das motiviert mich, Druck im Ministerium zu machen", sagte sie mit Blick auf das Ringen um die eGK.

"Wir täten gut daran, in unserem Land die Chancen eines solchen Systems zu nennen und nicht immer nur die Risiken", betonte sie. Voraussetzung sei natürlich, dass der Datenschutz und die Datensicherheit gewährleistet sind. "Was wir hier anbieten, ist mit allen Datenschützern abgestimmt", stellte am Orde klar.

Auch Uwe Schnelting, der beim Besuch Fischbachs als Patient in der Gefäßchirurgie aufgenommen wurde, sieht eBI positiv. Der schnelle Austausch der Informationen sei schließlich wichtig, damit er die richtigen Medikamente bekomme, sagte Schnelting. "Was nützt mir der Datenschutz, wenn ich falsch behandelt werde?"

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