Online-Termine

Kurz vor der Revolution?

Zwei neue Anbieter wollen den Markt der Online- Terminsysteme aufmischen - mit ganz unterschiedlichen Strategien. Doch wie schneidet ihr Angebot im Vergleich zu den etablierten Systemen ab?

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Vor allem für berufstätige Patienten sind Online-Arztterminsysteme ein echter Mehrwert.

Vor allem für berufstätige Patienten sind Online-Arztterminsysteme ein echter Mehrwert.

© Rawpixel.com / Fotolia.com

NEU-ISENBURG. Die Nachfrage auf Patientenseite ist vorhanden: Beim Trendmonitor 2015 der Techniker Krankenkasse (TK) gaben immerhin 98 Prozent der befragten Kassen- und Privatpatienten an, dass sie Arzttermine gerne online vereinbaren würden. Für die repräsentative Studie wurden über 1000 Versicherte befragt. Da verwundert es kaum, dass auch immer wieder neue Anbieter auf den Markt der Online-Arztterminsysteme drängen.

Gerade erst hat die französische Terminplattform Doctolib eine Dependance in Berlin gegründet. Dabei ist selbst die französische Mutterorganisation, die 2013 an den Start ging, noch relativ jung. Dennoch nutzen laut dem Unternehmen in Frankreich bereits 10.000 Ärzte, 300 Gesundheitseinrichtungen und rund vier Millionen Patienten die gleichnamige Terminplattform.

 Ein Erfolg, an dem man auch in Deutschland anknüpfen will. Der entscheidende Unterschied zu den Wettbewerbern ist laut Simon Krüger, Geschäftsführer und Mit-Begründer von Doctolib Deutschland, dass das Kalender-Tool der Ärzte direkt mit der Onlinebuchungsplattform für die Patienten verknüpft ist.

Damit würden die Termine in Echtzeit gebucht. Und die Praxis ist über die Arztsuche für potenzielle neue Patienten direkt zugänglich. Allerdings können die Praxen den Terminkalender auch über einen Link auf ihrer eigenen Praxiswebsite integrieren.

Termin-Wildwuchs kein Problem

Möglichen Wildwuchs bei den Terminbuchungen versucht Doctolib, über ein mehrstufiges Registrierungsverfahren zu umgehen: Jeder Nutzer müsse sich mit seiner E-Mail-Adresse und Mobilnummer registrieren und erhalte zusätzlich noch einen Bestätigungscode, den er eingeben müsse, erklärt Krüger.

"Wir sperren auch Patienten, die unentschuldigt nicht erscheinen." Das Praxisteam könne solche Fälle per Mausklick im System hinterlegen. Im Hintergrund rechne das System mit: Komme das Fehlen ohne vorherige Terminabsage ein paar Mal vor, werde der Patient komplett für die Online-Terminbuchung - auch bei anderen Ärzten - gesperrt. Die Patienten werden außerdem per E-Mail und SMS an Termine erinnert.

Die Praxisteams haben verschiedene Möglichkeiten, um Terminarten (Behandlungsgründe, Termindauer etc.) für sich zu definieren, auch nach Behandlern getrennt. Der Online-Terminkalender läuft laut Krüger dabei parallel zur Praxis-EDV und soll eigentlich den Terminkalender in letzterer ersetzen.

Damit Bestandspatienten leichter gefunden werden, würden die Stammdaten einmalig importiert. Technische Schnittstellen für die Integration ins Praxis-EDV-System seien zwar möglich, aber, "in der Mehrzahl greifen die Ärzte nicht darauf zu", sagt Krüger.

Für die Patienten sind die Terminbuchungen kostenfrei. Die Ärzte zahlen pro Behandler und Monat 129 Euro inkl. MwSt. Zugreifen könnten sie auf den Kalender von jedem Computer oder auch mobilen Endgerät. Krüger: "Sie brauchen nur eine Internetverbindung." Da das Mutterunternehmen in Frankreich angesiedelt ist, stehen auch die Datenserver dort.

Doctolib arbeite nach den "strengen französischen Datenschutzbestimmungen" und sei auch durchs französische Gesundheitsministerium zertifiziert, so Krüger. Die Daten würden die EU nicht verlassen, versichert er.

Komplett werbefinanziert

Mit einem komplett anderen Ansatz versucht das Start-up Facharzt-Sofort GmbH im Gesundheitsmarkt Fuß zu fassen. Es bietet sowohl Patienten als auch Ärzten seinen Online-Arztterminkalender kostenfrei an. Finanzieren will Gründer Stefan Knobl die Software, die dahintersteht, über Werbepartner.

"Wir wollen aber keine Patientendaten auslesen", sagt er. "Wir schauen einfach, bei welchen Fachrichtungen und in welchen Regionen werden Arzttermine gebucht." Dabei setze man dann auf regionale Werbepartner, etwa Sanitätshäuser vor Ort, zu denen Anzeigen eingespielt werden.

Der Terminkalender soll vorrangig auf der Praxiswebsite eingebunden werden. Ärzte, die keine eigene Website haben, können den Kalender aber auch auf der Plattform facharzt-sofort.de einrichten - ebenfalls kostenfrei.

Hier könnten sie dann zusätzlich ein Profil der Praxis mit Logo und Fotos hinterlegen, erläutert Knobl. Für die Verknüpfung mit dem eigenen Outlook- oder Google-Kalender des Arztes gibt es bereits eine Standardschnittstelle. Das Unternehmen arbeite aber auch daran, sich mit Praxissoftware-Anbietern zusammen zu tun und eine Direktanbindung ins Praxisverwaltungssystem (PVS) zu ermöglichen. So gibt es etwa schon eine Schnittstelle zur Software Medical Office des Anbieters Indamed, über die die Termine im Online-Kalender und im Kalender der Praxissoftware in Echtzeit abgeglichen werden.

Aber auch bei Facharzt-Sofort müssen sich die Patienten zunächst mit ihrer E-Mail registrieren. Anschließend erhalten sie einen Link, den sie bestätigen müssen. "Jeder Patient kann auch nur fünf Terminanfragen gleichzeitig laufen lassen", so Knobl. IP-Adressen - also im Prinzip die Rechnerkennung im Internet mit falscher Identifizierung würden zudem verbannt.

Alle Daten werden laut Knobl verschlüsselt übertragen, die Server stehen in Deutschland.Spannend ist, dass das Start-up aus Bayern auch eine Zuweiserplattform anbietet, in der sich Arztpraxen verschiedener Fachgruppen für die schnellere Terminvergabe untereinander vernetzen können.

"Fast so wie über Facebook", sagt Knobl. Mitte August soll außerdem die App von Facharzt-Sofort starten. Mit ihr können Patienten nicht nur Termine buchen, sondern über das Kontaktformular den Arzt auch direkt ansprechen. Geplant seien zudem eine Art Familienverwaltung und ein Impfplaner über die App, berichtet Knobl. Und Ärzte sollen über eine Push-Funktion Infos an Patienten rausschicken können - wobei sie dafür natürlich dann deren Einverständnis benötigen.

Die Schnittstelle zur Praxissoftware

So ganz neu sind viele der Features der beiden Newcomer allerdings nicht. Die Integration in die Praxis-EDV, über die das Online-Terminsystem dann direkt gesteuert wird, ist bei samedi etwa prinzipiell in der Comfort-Version enthalten. Dabei integrieren die Praxen laut samedi-Geschäftsführer Professor Alexander Alscher die Online-Buchungsmöglichkeit direkt in ihre Website. Außerdem könnten sie ihren Patienten eine App oder das Online-Patientenkonto über samedi.de zur Verfügung stellen.

Das Patientenkonto biete dabei zusätzliche Serviceangebote für Patienten, wie eine sichere Online-Kommunikation mit dem Arzt oder auch das Stornieren von Terminen via Web. Gleichzeitig biete es aber auch einen höheren Schutz vor Terminausfällen, weil die Patienten eben ihre Buchungen online verfolgen können.

Alscher sieht samedi auch mehr als Praxismanagementlösung. Denn neben dem Festlegen verschiedener Terminarten könnte die Praxis auch steuern, nach welchen Regeln sie ausgelastet werden solle - nach Terminartgruppen, Terminketten, Teilterminen, Ressourcen mit austauschbaren Fähigkeiten oder dynamischen Verfallszeiten.

 Die samedi-Technik steckt etwa auch im Online-Terminkalender x.time, der für die Praxisverwaltungssysteme der medatixx dazu gebucht werden kann. Über eine entsprechende Maske wird der Kalender auf der Praxiswebsite integriert.Die CompuGroup Medical arbeitet hingegen im Rahmen ihrer CGM LIFE eSERVICES mit einem eigenen Online-Terminsystem. Auch hier werden die Terminbuchungen aus dem Web immer direkt mit der Praxissoftware synchronisiert.

Und selbst die Kombination Arztsuche und Online-Terminkalender ist keine komplette Neuheit: Das Arztbewertungsportal jameda.de bietet Ärzten schon länger ein kostenfreies Online-Terminsystem, das sowohl über das Bewertungsportal als auch über einen Programmier-Code (HTML-Code) für die Einbindung in die eigene Praxiswebsite zur Verfügung steht, wie Unternehmenssprecherin Elke Ruppert erläutert.

Dabei könnten die Ärzte ebenfalls definieren, für welche Leistungen Patienten bestimmte Termine buchen können, welche Behandler für welche Leistung zur Verfügung stehen und wie lange bestimmte Termine dauern. Allerdings läuft auch hier der Online-Kalender zunächst neben der Praxis-EDV.

 "Parallel dazu bieten wir für die Praxen, die ihre Termine weiter im gewohnten Praxiskalender bearbeiten möchten, auch technische Schnittstellen an", so Ruppert. Aktuell gebe es eine Schnittstelle für Praxiskalender, die das sogenannte iCal-Format unterstützen (z.B. Outlook-, Google oder iOS-Kalender). Jameda arbeite zudem an weiteren Schnittstellen zu den gängigen Praxissoftwaresystemen. Terminerinnerungen per E-Mail und/oder SMS bieten dabei übrigens alle der etablierten Systeme.

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