Arzneigesetz

Teures EDV-Update für Ärzte?

Die AMNOG-Novelle soll Ärzten bessere und schnellere elektronische Infos zu neuen Medikamenten liefern. Dazu wird einmal mehr die Arzneimitteldatenbank in der Praxissoftware angepasst. Dabei könnte den Praxen erneut ein Online-Zwangsanschluss bevorstehen.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Aufbereitete GBA-Beschlüsse: Die soll die Praxis-EDV Ärzten künftig per Knopfdruck liefern.

Aufbereitete GBA-Beschlüsse: Die soll die Praxis-EDV Ärzten künftig per Knopfdruck liefern.

© megaflopp / Fotolia.com

NEU-ISENBURG. Grundsätzlich ist die Idee gut: Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll nach Wunsch des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) künftig seine Beschlüsse über die Nutzenbewertung so aufbereiten, dass sie maschinenlesbar sind und damit von den Softwarehäusern schneller in die elektronische Arzneimitteldatenbank der Praxis-EDV eingespielt werden können.

Dadurch müssten sich Ärzte nicht mehr selbst aktiv darum kümmern, dass sie die neuesten Beschlüsse bei der Therapieentscheidung zur Hand haben, sondern die Praxissoftware würde einen direkten Hinweis geben. So lautet der Plan, den das BMG in seinem Referentenentwurf zur Novellierung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) festgeschrieben hat.

Für Ärzte bedeutet dies allerdings, dass sie um einen Online-Anschluss ihrer Praxissoftware auch außerhalb der Telematikinfrastruktur wohl nicht mehr umhinkommen. Und höchst wahrscheinlich auch die Kosten der Neuerung tragen müssen.

Dabei hat das Bundeskabinett, das den Gesetzentwurf am 12. Oktober tatsächlich beschlossen hat, noch schlimmeres verhindert. GKV-Spitzenverband und KBV gingen die Vorschläge des Gesundheitsministeriums in Richtung Praxis-EDV nämlich noch nicht weit genug.

Fristverkürzung mit Folgen

So geht das BMG von einer Bereitstellung der GBA-Beschlüsse innerhalb eines Monats aus. Bereits das wird die Frequenz der Software-Updates erhöhen – wäre aber, wenn auch kostenmäßig teurer als bislang, wohl noch mit analogen Updates zu stemmen.

Der GKV-Spitzenverband hingegen hat in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eine 14-tägige Frist gefordert.

"Bei 14-tägiger Aktualisierung wäre man bei einem Online-Anschluss. Alles andere wäre ineffizient, aufwändig und zu teuer", sagt Dr. Erich Gehlen, Vorstandsvorsitzender beim genossenschaftlichen Softwarehaus Duria. Zumindest hier kann vorerst Entwarnung gegeben werden: Das Bundeskabinett hat sich an die Monatsfrist gehalten.

Die Arzneidatenbank soll aber noch mehr leisten: Sie soll auch Hinweise zur Wirtschaftlichkeit im Vergleich mit anderen Therapieformen liefern.

Damit kommt ein Konglomerat an Anforderungen zusammen, das eine Datenbank vorsieht, die:

- wirkstoffbezogene Infos zum Anwendungsgebiet und zum Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, aufgeteilt nach den festgelegten Subgruppen, bietet,

- die Anforderungen an die qualitätsgesicherte Arzneianwendung nennt,

- die Hinweise zur Wirtschaftlichkeit im Vergleich mit anderen Arzneien liefert,

- die Infos zu Rabattverträgen bereithält

und die natürlich geeignet ist, den bundeseinheitlichen Medikationsplan zu erstellen und zu aktualisieren.

Rein technisch sollte dies wenigstens kein Problem werden. Wie Gehlen erläutert, steckt vom Prinzip her nichts anderes als das frühere Bremer Arzneimittel Register (BAR) dahinter.

Oder das neuere von der gevko aufgelegte Indikationsbasierte Medikationsmanagement (IMM), das derzeit die evidenz-basierte Verordnung von Fertigarzneimitteln und Wirkstoffen im Rahmen von Selektivverträgen abbildet.

Viele der genannten Eigenschaften würden jetzt schon von IMM mitgeliefert. Und mit der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN), bei der die Wirkstoffverordnung und auch das gemeinsame Medikationsmanagement durch Arzt und Apotheker erprobt werden, leistet man technisch sogar schon mehr. Gehlen: "Wir sind an der Stelle schon recht weit."

Warten auf die Richtlinie

Das Problem liegt eher in den Vorgaben, die es für die Umsetzung der GBA-Beschlüsse braucht. Denn hierfür müssen GKV-Spitzenverband, KBV und eventuell auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten.

Der zum einen in einer Richtlinie für die Ärzte, zum anderen aber in konkreten technischen Vorgaben für die Industrie münden müsste. Mit dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes zum Jahresstart 2017 dürfte es damit noch keine passende EDV-Lösung geben.

Denn oft hängt es auch daran, dass sich die Vorgaben eben nicht an internationalen Standards der IT-Branche orientieren. Proprietäre Ansätze bringen aber zum einen Widerstände aus den Softwarehäusern, zum anderen verlängern sie die Entwicklungszeit – und erhöhen die Softwarekosten für den Arzt.

Würden sich die Krankenkassen tatsächlich an den Kosten beteiligen, wäre ein gewisses Gschmäckle programmiert: Denn zu groß wäre die Angst, dass damit die Therapiefreiheit des Arztes eingeschränkt wird und Kasseninteressen bei Verordnungen vorrangig bedient werden.

KBV hat noch anderen Plan

Die KBV hat aber noch einen anderen Plan: Sie würde die Arzneimitteldatenbank gerne generell unabhängig von der Praxissoftware sehen und am liebsten in die Telematikinfrastruktur (TI) integrieren. So könnten die Ärzte dann bei Bedarf schneller den Anbieter der Arzneidatenbank wechseln, heißt es.

Das dürfte dahingehend ein Problem werden, dass die Telematikinfrastruktur de facto bislang nicht existiert und sich die ersten Online-Tests wohl ins nächste Frühjahr verschieben – und mit etwas Glück in der Region Nordwest vielleicht noch in diesem Jahr anlaufen. Und bei allen bisherigen Erfahrungen mit der TI dürfte auch die Arzneimitteldatenbank selbst dann wohl kaum zeitnah zur Verfügung stehen.

Von einer Arzneimitteldatenbank in der Cloud hält zumindest Gehlen nichts: "Was passiert, wenn der Zugriff während der Praxiszeiten nicht möglich ist?", fragt er. Und es müsse sichergestellt werden, dass die Cloud-Lösung dem Leistungsanspruch der Praxen gerecht wird.

"Das Rezeptformular wird in großen Praxen mehrere hundert Mal an einem Morgen befüllt. Jede Verzögerung durch langsame Zugriffe auf die Medikamentendatenbank sind ein No-Go." Zum anderen sei in vielen ländlichen Regionen noch kein schneller Internetzugang verfügbar.

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