Neue Kraft für ausgebrannte Ärzte

Erschöpft durch den Job, die Batterien sind leer. Auch Ärzte sind nicht gefeit vor dem inneren Ausbrennen - ganz im Gegenteil, sie sind besonders gefährdet. Doch wie lässt sich ein Burnout trotz Konflikten mit Kassen und Verantwortung für die Patienten verhindern? Antworten darauf hat unsere Mitarbeiterin Ursula Armstrong auf einem Symposium der LÄK Hessen in Bad Nauheim erhalten.

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Burnout tritt zwar in allen Berufsgruppen auf, doch besonders gefährdet sind Angehörige von Helferberufen. In Umfragen stehen meist Ärzte an erster Stelle und Manager an zweiter. Ein Grund: Burnout trifft vor allem leistungsfähige und leistungswillige Menschen, die einen besonders hohen Anspruch an sich selbst und ihren Beruf haben. Ärzte haben einen solchen hohen Anspruch. Es wird nicht nur ein Job gemacht, es geht um viel mehr, um den Versorgungsauftrag, um eine Berufung, gelegentlich um Leben und Tod. Wer sich als Arzt niederlässt, geht mit viel Elan und besonders hohem Einsatz an die Arbeit. "Nur wer entflammt ist, kann ausbrennen", so der Internist Dr. Wolfgang Grebe aus Frankenberg. Doch der Elan wird rasch ausgebremst durch EBM, KVen, Kassen und eine überbordende Bürokratie.

Das Schlimmste ist, dass dieser Einsatz der Kassenärzte nicht mehr entsprechend anerkannt und honoriert wird, sagt Dr. Axel Schüler-Schneider aus Frankfurt am Main. Diese Diskrepanz zwischen Einsatz und Pflichtgefühl auf der einen Seite und Anerkennung und Honorierung auf der anderen werde immer größer. Schüler-Schneider kennt das aus eigener Erfahrung. Der Internist war als Kassenarzt niedergelassen. "Ich habe immer mehr gearbeitet, um die Minderbezahlung auszugleichen. Es ging nicht darum, mehr zu verdienen. Es ging nur darum, das Niveau halten zu können. Ich habe immer weniger verdient, obwohl ich immer mehr gearbeitet habe." Er hat dann die internistische Kassenzulassung zurückgegeben. Heute hat er eine internistische Privatpraxis und arbeitet als Arzt für Psychosomatik für alle Kassen. Schüler-Schneider hat die Notbremse gezogen. Die meisten Ärzte aber arbeiten weiter im Hamsterrad. Bis es irgendwann nicht mehr geht, bis sie ausgebrannt sind.

Burnout ist ein schleichender Prozess, der in drei Phasen verläuft. Schüler-Schneider nennt die erste Phase die Zeit von Aggression, Kampf und Aktivität: Auf die zunehmende Disbalance in ihrem Leben reagieren Ärzte mit Hyperaktivität. Das verschafft ihnen das Gefühl der Unentbehrlichkeit. Gleichzeitig verleugnen sie immer mehr ihre eigenen Bedürfnisse. In Phase zwei dominieren Flucht und Rückzug: Man hat nur noch wenig Zeit für Familie und Freunde, meidet Kollegen und nimmt Aussagen von Patienten nicht mehr richtig wahr. Flucht, so Schüler-Schneider, sei ein Zeichen von Angst. In der dritten Phase kommt es zu Isolation und Passivität. Erst dann steigt das Leidensbewusstsein und das Bedürfnis nach fachlicher Hilfe.

Viele ausgebrannte Menschen versuchen jedoch, ihre Probleme mit Alkohol und Medikamenten zu betäuben. Gerade bei Ärzten verlaufe der Weg in die Sucht oft schnell, weiß Dr. Bernd Sprenger, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin-Brandenburg. "Wer zum Ausbrennen neigt, will es nicht wahrhaben und greift lieber zu Medikamenten." So sei Medikamenten-Abhängigkeit bei Ärzten häufiger als bei anderen Burnout-gefährdeten Berufsgruppen wie etwa Managern. In einer Studie der Oberbergkliniken zur Sucht bei Ärzten waren von 139 Suchtkranken 61 Prozent Alkohol-abhängig, 17 Prozent Medikamenten-abhängig und 16 Prozent von Alkohol und Medikamenten abhängig.

Ein weiteres Problem: Wer ausgebrannt ist, arbeitet nicht mehr gut. So sei die Gefahr von Behandlungsfehlern groß, sagt Schüler-Schneider. "Weil man eine versteckte Wut hat. Und nicht bewusste Wut führt zu Irritationen und zu einem unvernünftigen Denken und Handeln." Bleibt nur: Möglichst früh vorbeugen.

(ug)

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