Arztbewertung im Internet: Der Bedarf ist vorhanden

Viele Patienten haben bereits mindestens einmal ein Arztbewertungsportal genutzt - aber die meisten Ärzte glauben immer noch, dass die Portale eher eine Modeerscheinung sind. Das könnte ein Trugschluss sein.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Viele niedergelassene Ärzte unterschätzen die Bewertungsportale für Arztpraxen. Sie messen den neuen Angeboten eine viel geringere Bedeutung bei, als Medizinische Fachangestellte und Patienten es tun. Das zeigt eine aktuelle Befragung des Instituts für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategie-Entwicklung (IFABS) in Düsseldorf. "Die Ärzte gehen mit ihrer Einschätzung an der Realität der Patienten vorbei", sagt IFABS-Leiter Klaus-Dieter Thill der "Ärzte Zeitung".

Das Institut hat je 200 Allgemeinmediziner, Medizinische Fachangestellte und Patienten telefonisch zum Thema Internetportale mit Bewertungen zu Arztpraxen befragt. Auf einer Skala von 0 "gar keine Bedeutung" bis 10 "sehr große Bedeutung" konnten sie die Portale einschätzen.

Der durchschnittliche Wert für die gegenwärtige Bedeutung des neuen Mediums beträgt demnach bei den Praxisinhabern lediglich 1,2, die Bedeutung der Portale in zwei Jahren schätzen sie mit 3,4 ein. Deutlich anders sieht es bei den Medizinischen Fachangestellten aus: Ihre Durchschnittswerte betragen aktuell 3,6 und 7,8 in zwei Jahren. Die Patienten bewerten die gegenwärtige Bedeutung mit 4,3 und die künftige mit 8,1.

Bei der Befragung hatten nur fünf Prozent der Ärzte angegeben, eines der einschlägigen Portale schon einmal nach der eigenen Praxis durchsucht zu haben. Bei den MFA hatten das dagegen schon 63 Prozent getan. Von den Patienten hatte mit 87 Prozent die weit überwiegende Mehrheit schon mindestens einmal ein Bewertungsportal genutzt.

"Es hat sich gezeigt, dass die Bewertungsportale für die meisten Ärzte eine Modeerscheinung sind, die langfristig keine Bedeutung hat", sagt Thill. Das ist seiner Meinung nach eine Fehleinschätzung. Gerade auch weil sich Krankenkassen zunehmend in diesem Segment engagieren, werde die Zahl der Einträge auf den Portalen weiter zunehmen.

Als Argumente für ihre skeptische Haltung hatten die Mediziner angeführt, dass es zu viele Portale gibt, um Transparenz zu schaffen und zu geringe Fallzahlen, um auf den Portalen objektive Auskünfte erhalten zu können. Die Anzahl der Portale wird sich langfristig reduzieren, die Anbieter mit einer großen Zahl von Bewertungen werden sich durchsetzen, erwartet Thill. "Der Bedarf bei den Patienten ist auf jeden Fall vorhanden."

Das zeige auch die IFABS-Befragung. Gerade bei der Suche nach einer neuen Praxis sähen viele Patienten die Portale als gute Möglichkeit, Hinweise auf deren Leistungsqualität zu erhalten. Zwar seien zehn Hinweise zur Freundlichkeit des Praxisteams oder zu den Wartezeiten statistisch nicht repräsentativ. "Aber das interessiert die Patienten nicht", sagt Thill. Sie holen sich über die Internetangebote eine erste Einschätzung. Deshalb messen sie ihnen auch eine große Zukunftsbedeutung bei.

Ähnlich sieht es bei den Medizinischen Fachangestellten aus. Auch in ihren Augen werden die Portale bei der Auswahl von niedergelassenen Ärzten immer wichtiger. "Die Arzthelferinnen erkennen die Chancen des Mediums, weil sie näher am Patienten sind", sagt Thill. Inzwischen erkundigten sie sich zunehmend bei neuen Besuchern, wie sie auf die Praxis gekommen sind. Wie bei anderen Aspekten des Praxismarketings ließen viele Ärzte das Optimierungspotenzial ungenutzt, das ihre Mitarbeiterinnen bieten, sagt der Berater.

Ärzte sollten nicht vor dem Aufwand zurückschrecken, die Bewertungsportale regelmäßig mit Blick auf die eigene Praxis zu durchsuchen. "Das ist eine delegationsfähige Aufgabe. Die Arzthelferin kann das alle zwei Wochen oder einmal im Monat machen." Schließlich sei es wichtig, dass die Ärzte wissen, welches Bild im Internet von ihnen transportiert wird. Wenn es dort viele negative Bewertungen gebe, könne das abschreckend auf Patienten wirken. "Eine gute Bewertung kann die Nachfrage fördern." Thill empfiehlt den niedergelassenen Ärzten, auf den Portalen wenn möglich Angaben zum Profil der Praxis zu machen.

Lesen Sie dazu auch das Interview: "Wir haben Ärzte von Anfang an eingebunden"

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