Ärzte punkten bei Patienten mit Zuwendung

Wonach beurteilen Patienten die Qualität einer Therapie? Erstaunliches Ergebnis einer aktuellen Studie: Nicht der Behandlungserfolg ist entscheidend, sondern die Gesprächskompetenzen des Arztes sind es.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Ältere Patienten fühlen sich meist besser von ihrem Arzt informiert als jüngere.

Ältere Patienten fühlen sich meist besser von ihrem Arzt informiert als jüngere.

© Yuri Arcurs / www.fotolia.com

HANNOVER. Patientenkommunikation - das ist (fast) alles, was ein Arzt braucht: Wie ein Arzt beim Patienten ankommt, hänge vor allem davon ab, wie er mit seinen Patienten spricht. Diese These hat Professor Andrea Dehn-Hindenberg von der europäische Fachhochschule Rhein/Erft (EUFH) aufgestellt.

Die Gesundheitssystemforscherin sprach auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG) in Hannover. In einer Studie hat sie anhand von Patienten in Therapeutenpraxen herausgefunden: Zu den wichtigsten Kriterien der Therapie gehören "Ermutigung" oder "Einfühlungsvermögen".

"Sich verstanden fühlen"

Das größte Gewicht bei der Beurteilung der Gesamttherapie geben die Patienten Kriterien wie "Sich verstanden fühlen" (Platz 1), "Infos über Behandlungsmöglichkeiten" (Platz 2), "Informationen über Selbsthilfe" (Platz 3) und "Informationen über die Auswirkung der Krankheit" (Platz 4). Die "Verbesserung der Beschwerden" dagegen landete auf Platz 12.

"Das bedeutet, dass den Gesprächskompetenzen von Therapeuten eine sehr große Rolle zukommt", sagt Dehn-Hindenberg. Sie hatte den Patienten 14 Kriterien angeboten, die sie entsprechend der Wichtigkeit bei der Gesamtbehandlung ordnen sollten. Erstaunlich: Den letzten Platz belegte "Freundlichkeit".

"Die Ergebnisse sind in weiten Zügen auch auf Arztpraxen übertragbar", sagt Dehn-Hindenberg zur "Ärzte Zeitung".

Die Forscherin hat deutschlandweit Praxen angesprochen und sie gebeten, ihre Patienten nach ihren Bedürfnissen bei der Behandlung und ihre Erwartungen an die Behandlung zu fragen. Rund 600 Praxen haben an der Fragebogenaktion teilgenommen und die Patientenantworten in einer von Dehn-Hindenberg mitgelieferten Box an die Forscherin zurück gesandt.

"Wenn du die Qualität einer Küche beurteilen willst, dann frage nicht den Koch, sondern diejenigen, die dort gegessen haben", begründet die Forscherin ihren Forschungsansatz.

Unterschiedliche Bewertung des erlebten Therapieprozesses

Auffällig bei den Ergebnissen Dehn-Hindenbergs ist vor allem die deutlich unterschiedliche Bewertung des erlebten Therapieprozesses durch alte und jüngere Patientinnen und Patienten.

So fühlten sich nur 40 Prozent der 18 bis 38-Jährigen bei der Behandlung "sehr gut" informiert - 60 Prozent fühlten sich also nicht sehr gut informiert. Die Patienten zwischen 70 und 79 Jahren dagegen sahen sich zu 74 Prozent "sehr gut" informiert.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Informationen über die Krankheit als solche, und auch über die Selbsthilfe. Die Information wurde von beiden Altersgruppen ganz ans Ende der Skala gestellt. Nur 32 Prozent der Jüngeren und nur 52 Prozent der Älteren gaben ein "sehr gut" für die Aufklärung über die Krankheit.

Bei Verständnis und Empathie der Therapeuten lagen die Werte näher aneinander, wenn auch deutlich unterschieden: 62 Prozent der jüngeren und 76 Prozent der älteren Patienten fanden ihren Therapeuten verständnisvoll. Und empathisch fanden ihn 62 Prozent der jüngeren und 75 Prozent der älteren Patienten.

Jüngere Patienten sind wesentlich anspruchsvoller

"Die jüngeren Patienten sind damit eindeutig anspruchsvoller", so die Schlussfolgerung Dehn-Hindenbergs. "Und das, obwohl sie einen viel einfacheren Weg zum Beispiel zu Informationen aus dem Internet haben."

Die Forscherin führt die Haltung auf generell gewachsene Ansprüche zurück sowie auf den gewachsenen Individualismus. Gerade jüngere Patienten hätten das Bedürfnis, dass Ärzte und Therapeuten sich persönlich mit ihnen befassen.

Die Forscherin fragte auch danach, woran die Patienten die Fachkompetenz des Praxischefs erkennen. Wie nach den anderen Ergebnissen zu erwarten, orientieren sich die Patienten weniger an der Wirksamkeit der Behandlung oder der Besserung der Beschwerden. Nur 38 Prozent der 18 bis 39-Jährigen erklärt sich eine wirksame Behandlung aus der Kompetenz des Therapeuten.

Dafür verbinden je nach Lebens alter zwischen 80 und 86 Prozent der Patienten das Know-how ihres Therapeuten mit "Empathie", mit "Erklärungen" (73 bis 86 Prozent) und "fachlichen Informationen" (74 bis 85 Prozent).

Aktives Zuhören muss eingeübt werden

Die Konsequenzen aus der Untersuchung liegt für Dehn-Hindenberg auf der Hand: "Patienten erwarten vor allem, dass man sie in der individuellen Krankheitsbewältigung unterstützt und klare Ziele der Behandlung formuliert."

Außerdem fehle es offenbar an klarer beratender Information und dem "gemeinsamen Erarbeiten gesundheitsfördernder und stabilisierender Handlungsstrategien", wie Dehn-Hindenberg sagt. Mit einem Wort: Ärzte sollten außerordentlich patienten- und ressourcenorientiert arbeiten.

Doch Interesse, Respekt, aktives Zuhören und Zugewandtheit müssen bewusst eingeübt werden, damit sie zu individueller Behandlungskompetenz verschmelzen können, wie die Forscherin sagt.

Dehn-Hindenberg: "Gute Kommunikation trägt nicht nur zum Behandlungserfolg bei, sondern erhöht bei den Patienten auch die Wahrnehmung der Behandlungsqualität. Über die Patientenzufriedenheit wird schließlich die Existenz von Krankenhäusern und Praxen gesichert."

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