Anästhesie an den Nagel

Mit Elan in die Allgemeinarztpraxis

Dr. Karin Erasmi hat mitten im Berufsleben noch einmal umgesattelt - aus der Anästhesistin an der Uniklinik wurde eine Hausärztin. Ihre erste Bilanz ist beste Werbung für die Allgemeinmedizin.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Dr. Karin Erasmi und ihr Ehemann Dr. Malte Scheidt, beide Allgemeinmediziner, haben sich für eine Gemeinschaftspraxis entschieden.

Dr. Karin Erasmi und ihr Ehemann Dr. Malte Scheidt, beide Allgemeinmediziner, haben sich für eine Gemeinschaftspraxis entschieden.

© Dirk Schnack

FLINTBEK. Dr. Karin Erasmi war schon Mitte 40, als ihr die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit als Anästhesistin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) am Campus Lübeck nicht mehr zusagten.

"Ich war Dienstleisterin geworden und musste als Anästhesistin die Verantwortung für Operationen übernehmen, die ich nicht für sinnvoll erachtet habe", erinnert sich Erasmi.

Für die Familie war der Neustart in die Allgemeinmedizin mit einer erheblichen Belastung verbunden. Manche Kollegen hätten die Hürden vielleicht nicht überwunden und wären an ihrem alten, sicheren Arbeitsplatz geblieben.

Erasmi aber ließ sich durch ihren Mann Dr. Malte Scheidt inspirieren, der mit einem Partner eine allgemeinmedizinische Gemeinschaftspraxis betrieb.

"Ich habe erlebt, dass mein Mann mit einer viel höheren Zufriedenheit gearbeitet hat. Er konnte seine persönlichen Vorstellungen umsetzen, bekam positive Resonanz von seinen Patienten. Als Anästhesistin hatte ich das nie", berichtet Erasmi.

Deshalb erkundigte sie sich bei der Ärztekammer nach den abzuleistenden Weiterbildungsinhalten zur Allgemeinmedizin. Es folgten 18 lehrreiche Monate bei einem Landarzt und acht Monate Innere und Palliativmedizin am Krankenhaus.

Allgemeinmedizin - "die Koryphäe unter den Fächern"

Schon während dieser Zeit spürte Erasmi, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. "Und das, obwohl ich als Studentin und junge Ärztin die Allgemeinmedizin nie in Betracht gezogen habe. Ich habe das Fach fast ein wenig belächelt - völlig zu Unrecht, es ist die Koryphäe unter den Fächern", sagt Erasmi heute.

Ihr Elan steckte an - noch vor der Niederlassung überzeugte sie vier Kollegen in der Weiterbildung, ebenfalls zur Allgemeinmedizin zu wechseln.

Vor dem Start waren aber einige Probleme zu lösen: mit dem Baurecht, mit der Bank, und es gab einiges an zusätzlicher Arbeit, um während der Weiterbildung nicht zu große Einkommenseinbußen hinnehmen zu müssen.

Erasmi räumte die Hürden mit viel Ausdauer und Beharrungsvermögen aus dem Weg. Verhandlungen mit Banken, KV und Bürgermeister, der Erwerb eines Praxissitzes, Standortanalysen, die Grundsanierung des Praxisstandortes und Entscheidungen über die Praxiseinrichtung sind auch ihr nicht leichtgefallen, erwiesen sich aber als lösbar.

Als sie am ersten April 2013 ihre Praxis eröffnete, war Erasmi zwar am Ziel, musste sich als Neuling in einer neuen Praxis in einem Ort mit fünf Hausärzten aber erst ihren Patientenstamm erarbeiten. "Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung, ich habe ja bei null angefangen", berichtet die Ärztin.

"Ich lasse mich nicht mehr fremdbestimmen"

Und die Praxis wächst nicht nur mit der Anzahl der Patienten: Vier Angestellte inklusive Praxismanagerin gehören ohnehin schon zum Team. Eine Weiterbildungsassistentin und eine Auszubildende sollen eingestellt werden, und vor einigen Monaten ist ihr Mann als Praxispartner dazu gekommen.

Angst, dass sich in dieser Konstellation Privatleben und berufliche Existenz bei Meinungsverschiedenheiten gegenseitig gefährden, haben sie nicht. "Mein Mann ist der Mensch, dem ich am meisten vertraue. Deshalb sind wir die idealen Praxispartner".

Was muss man mitbringen, damit man als Arzt mit Mitte 40 und Familie noch diese Wende im Leben hinbekommt? "Man muss in erster Linie hohes Interesse an dem Fach haben, und außerdem unverdrossen und motiviert sein", sagt Erasmi.

Und wie will sie die von vielen Kollegen beschriebene Arbeitsbelastung bewältigen? Die Hausärztin rät zu einer Entzerrung des Praxisalltags. Der Terminkalender wird bei ihr so gefüllt, dass immer noch Luft bleibt. Für sie steht nach dem Abschied aus der Klinik fest: "Ich lasse mich nicht mehr fremdbestimmen."

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