Fallbericht aus Nordfriesland

Als Landarzt auf keinem grünen Zweig

Dr. Frank Ingwersen ist einer der wenigen niedergelassenen Ärzte, die in Nordfriesland psychiatrische Versorgung anbieten. Ausgerechnet er fühlt sich durch die Abrechungspraxis seiner Kassenärztlichen Vereinigung ausgebremst. Ein Fallbericht.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Tut viel für die psychiatrische Versorgung auf dem Land, wird dafür aber nicht belohnt: Dr. Frank Ingwersen.

Tut viel für die psychiatrische Versorgung auf dem Land, wird dafür aber nicht belohnt: Dr. Frank Ingwersen.

© Dirk Schnack

AHRENVIÖL. Sprechende Medizin auf dem Land - genau das fehlt nach Ansicht vieler Politiker und Standespolitiker und sollte deshalb gefördert werden.

Dr. Frank Ingwersen zählt als niedergelassener Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im nordfriesischen Dorf Ahrenviöl also genau zur umworbenen Zielgruppe - sein aktueller Honorarbescheid aber widerspricht dem.

Ingwersen hat sie alle schon angeschrieben: den Bundesgesundheitsminister, die Landesgesundheitsministerin, Berufsverband, Hartmannbund und natürlich die KV. Er hat ihnen dargelegt, dass er trotz großer Nachfrage nach seinen Leistungen als Kassenarzt nicht überleben kann.

Eine befriedigende Antwort steht noch aus - erwartet hat er sie auch nicht. "Aber ich finde es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass ich von der Kassenmedizin allein nicht leben kann. Meine Leistungen werden in keiner Weise angemessen vergütet", sagt Ingwersen.

Von der KV arm gerechnet

Das Fass zum Überlaufen gebracht hat die KV-Mitteilung zum Punktzahlvolumen im aktuellen Quartal. Die PZV-Leistungsmenge in Höhe von 323.999 Punkten entspricht seiner Arbeitsmenge im Vorjahresquartal. Multipliziert mit dem rechnerischen Punktwert von 10,13 Cent entspricht dies einem Quartalsumsatz von über 32.000 Euro.

Aufgrund von Anpassungsfaktoren, mit denen die KV die zu bezahlende Punktsumme verringert, verbleiben Ingwersen aber nur 233.254 Punkte - und damit ein Geldbetrag von rund 23.500 Euro. Hinzu kommen rund 5000 Euro im Quartal für extrabudgetäre Leistungen.

Wenn er von seinen KV-Umsätzen Miete, Personal, Steuern, Krankenversicherung und Altersvorsorge gezahlt hat, fällt sein Nettoeinkommen für ärztliche Verhältnisse recht bescheiden aus.

"Wenn die KV mir mein verdientes Zuwachsvolumen gegeben und nicht herunter gerechnet hätte, könnte ich ja damit leben. Aber so wird meine kostenlose Mehrarbeit im letzten Jahr weg- und mein Patienten- und Versorgungszuwachs herausgerechnet", kritisiert der Facharzt.

Damit findet sich bei ihm auch keine Bereitschaft mehr, sich am Versorgungsbedarf zu orientieren und kurzfristig zu helfen. "In das Hamsterrad lasse ich mich nicht sperren" - so viel steht für Ingwersen fest.

Arztpraxis jetzt im Privathaus

Um Kosten zu sparen, hat Ingwersen seine Praxisräume in Husum gekündigt und die Praxis in sein Privathaus ins elf Kilometer entfernte Ahrenviöl verlagert.

Damit entfallen immerhin 16.000 Euro Praxisbetriebskosten pro Jahr. Außerdem baut er Standbeine neben der Kassenmedizin aus, etwa Gutachten oder Selbstzahlerleistungen. Betriebswirtschaftlich hat er also schon reagiert.

Zugleich hat er mehrere Alternativen zur Kassenpraxis geprüft, etwa zurückzukehren in die Anstellung am Gesundheitsamt. Das hat er verworfen - zum einen möchte er gerne weiterhin frei arbeiten, zum anderen seine Patienten nicht im Stich lassen.

Aus dem gleichen Grund ist auch der Weg ins Ausland für ihn keine Alternative. Schließlich ist er nach eigenen Angaben der einzige niedergelassene "reine" Psychiater im Kreis Nordfriesland.

Unter den insgesamt fünf Kollegen im Kreis sind zwei reine Neurologen und zwei Nervenärzte - die überwiegend neurologisch arbeiten. Zugleich rechnet Ingwersen mit weiter steigenden Patientenzahlen. "Das hat längere Wartezeiten und Ärger auf Patientenseite zur Folge."

Nun fordert er, dass die KV sprechende Medizin im Verhältnis zu Fächern, die viel Technik einsetzen, aufwertet.

Ohne diese Aufwertung erwartet er, dass die KV schon bald als Betreiber von psychiatrischen Regionalpraxen mit angestellten Ärzten auftreten muss, um eine Mindestversorgung in seinem Kreis sicherzustellen. "Die aktuellen Rahmenbedingungen sind wahrlich kein Anreiz für junge Kollegen, sich niederzulassen".

KV konzediert "Ärgernis"

Die KV verwies auf Nachfrage auf die seit einigen Jahren im Vergleich zu anderen Fachgruppen überdurchschnittlich steigende Vergütung der Psychiater, allerdings von einem niedrigen Niveau kommend.

"Zudem erhalten Psychiater als sprechende Mediziner seit dem vierten Quartal 2013 eine Pauschale für die Grundversorgung in Höhe von 3,50 Euro pro Fall, ab dem ersten Quartal 2014 vier Euro", teilte die KV weiter mit.

Damit soll den Besonderheiten dieser Arztgruppe Rechnung getragen werden. "Dass auch die Psychiater in einem budgetieren Honorarsystem trotz der Steigerungen mehr leisten, als die gesetzlichen Krankenkassen bereit sind zu bezahlen, ist ein Ärgernis, das sie mit allen anderen Ärzten und Psychotherapeuten teilen, und das auch aus unserer Sicht keine Basis ist, um dauerhaft eine leistungsfähige ambulante Versorgung zu erhalten", konzediert die KV.

Ingwersen will, solange ihm keine Lösung für seine unbefriedigende Einkommenssituation angeboten wird, den Patientenärger umleiten - zur Kassenärztlichen Vereinigung, die den Patienten bei der Vermittlung eines Psychiaters unterstützen soll.

Der Weg in die nächste Praxis würde sich allerdings deutlich verlängern, da die nächsten Praxen schon in anderen Landkreisen liegen und in aller Regel ebenfalls einen vollen Terminkalender haben.

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