Praxis-Porträt

Selbst sonntags können Patienten kommen

Hausarzt, Palliativmediziner, Naturheilkundler und bald auch Sexualtherapeut: Der Allgemeinmediziner Jörg Krause ist für alle Seiten seines Berufes offen. Dabei wollte man ihn anfänglich nicht mal Medizin studieren lassen.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Jörg Krause in einem seiner Sprechzimmer. Das Sommeridyll hinter ihm hat seine Frau gemalt.

Jörg Krause in einem seiner Sprechzimmer. Das Sommeridyll hinter ihm hat seine Frau gemalt.

© Zieler

KÖTHEN. "Ein Hospiz in Köthen, dafür würde ich mich gern stark machen." Allein kann Jörg Krause das nicht stemmen, aber vielleicht in der Gemeinschaft mit anderen. "Kollegen, Kirchen, Kliniken?"

Seit Jahren kümmert sich der im anhaltinischen Köthen niedergelassene Allgemeinmediziner auch um jene, die das nahe Ende vor Augen haben. Krause ist integriert in die Arbeit des Dessauer Hospizes, arbeitet Hand in Hand mit anderen Palliativmedizinern der Region, allen voran Dr. Barbara Ehrhardt. "Das war die erste Palliativmedizinerin in Köthen." Andere folgten. "Wir alle arbeiten gut zusammen, tauschen Erfahrungen aus, bilden uns weiter".

Zwölf Palliativpatienten betreut der 55-Jährige im Schnitt - nicht nur in Köthen, sondern auch in Dessau, Zerbst, Wittenberg und sogar im sächsischen Coswig. "Das ist eine Ausnahme." Doch was heißt das schon bei dem Mann, der sagt: "Ich habe den Kittel angezogen, weil ich für Menschen da sein wollte".

Patienten, die akut Probleme haben, die Woche über außerhalb arbeiten oder mit ihm etwas besprechen wollen, können sogar sonntags ab 10.30 Uhr in seine Praxis kommen. "Gegen neun bin ich hier, erledige den ganzen Schreibkram. Danach habe ich Zeit."

Verplant sind meistens auch die bei vielen Kollegen freien Mittwochnachmittage. Da ist Jörg Krause meist im Hospiz oder er bestellt Patienten ein, mit denen er länger sprechen will. Etwa dann, wenn eine Krebsdiagnose vermittelt werden muss. "Das geht nicht zwischen Tür und Angel. Dafür muss ich mir Zeit nehmen und Zeit geben, über Fragen nachzudenken, die ich beantworten soll."

Gespräche, wie diese, fallen dem erfahrenen Hausarzt nicht leicht, aber sie sind auch keine Last. "Es gehört zu meinem Beruf." Im Laufe der Jahre habe er gelernt, Probleme nicht mit nach Hause zu nehmen.

Manchmal helfe Abstand sogar, professioneller zu sein. Das sei bei Sterbenden besonders wichtig. Angst und Schmerzen zu nehmen, ist das eine, ein Stück weit Geborgenheit zu geben das andere. "Glücklich", sagt Krause, "stirbt niemand. Zufrieden schon."

Jahrelang auf Studienplatz gewartet

Unschwer ist der Anhänger der sprechenden Medizin zu erkennen. "Vielleicht ein Relikt aus der Zeit, als ich Theologie studieren wollte", bekennt er. Warum es schließlich doch die Medizin geworden ist? "Fünf Jahre lang habe ich Ablehnungen fürs Medizinstudium bekommen. Unterdessen hatte ich Ausbildungen als Krankenpfleger und Ergotherapeut abgeschlossen, war im Krankenhaus angestellt und hatte die Zusage fürs Theologiestudium in der Tasche. Dennoch wollte ich es nochmal wissen, bewarb mich erneut an der Medizinischen Fakultät in Halle - die Ablehnung ließ nicht auf sich warten."

Mit der Erkenntnis, nun könne ohnehin nichts mehr passieren, fuhr Krause nach Halle und legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein. "Ich weiß bis heute nicht, warum danach die Zusage kam."

Möglich, dass dies bereits seinem Redetalent geschuldet war - immer ruhig, besonnen, aber auch sehr nachdrücklich. Doch Jörg Krause kann auch zuhören. Gespräche, sagt er, geben den Blick in die Psyche frei, und der ist so manches Mal ergiebiger als endlose Diagnostik. "Ich bin kein Gegner moderner Medizintechnik. Aber ein Verfechter der ganzheitlichen Medizin."

Dazu gehörten auch Naturheilverfahren. Unzählige Zertifikate und Urkunden sind der Nachweis für die jeweils notwendigen Qualifikationen. Seit drei Jahren drückt der Hausarzt erneut die Schulbank. Er ist auf dem Weg zum Sexualtherapeuten. Der Abschluss ist für nächstes Jahr geplant.

"Ich mache das alles eigentlich eher für mich selbst, weil mich Neues interessiert." Die Möglichkeit, mehr Selbstzahlerleistungen anzubieten, sei in einer Stadt wie Köthen mit den meisten Arbeitslosen der Region eher zu vernachlässigen.

"Das kann immer nur ein sehr kleines Zubrot sein." Aber: "Wenn ich damit letztendlich doch einigen Menschen helfen kann - umso besser."

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