Kooperation nutzt nicht nur Ärzten

Kooperationen sind in der ärztlichen Praxis an der Tagesordnung. Bei den Psychotherapeuten sieht das anders aus: Hier sind Einzelkämpfer noch die Regel. Dabei profitieren von der Zusammenarbeit nicht nur die Therapeuten, wie ein Beispiel aus Kiel zeigt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ungewöhnliche Kooperation: Gerhard Leinz (links) und seine Mitarbeiter in der Praxis in Kiel.

Ungewöhnliche Kooperation: Gerhard Leinz (links) und seine Mitarbeiter in der Praxis in Kiel.

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KIEL. Als Gerhard Leinz an die Planung für die Niederlassung in einer psychotherapeutischen Praxis ging, war ihm eines von Anfang an klar: "Ich wollte mit Menschen zusammenarbeiten, die verantwortlich und integrativ denken."

Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Psychiatrie wollte sich auf keinen Fall in einer Einzelpraxis niederlassen, sondern in einer Kooperation.

Bei seinem Plan zur Umsetzung der Kooperation geht Leinz Schritt für Schritt vor. "Das funktioniert über die Beschäftigung von Angestellten. Langfristig ist die Umwandlung in eine Berufsausübungsgemeinschaft geplant", sagt Leinz.

Bevor er seine Vorstellungen in die Tat umsetzen konnte, hat er intensiv nach den richtigen Partnern gesucht.

Interne Fallbesprechungen verbessern die Therapie

Inzwischen hat er ein vierköpfiges Team nach seinen Vorstellungen zusammengestellt.

Die beiden Diplom-Psychologinnen Tina Eule und Jana Stipp (beide Psychologische Psychotherapeutinnen) sowie Boris Golunski, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, arbeiten heute als Angestellte mit Leinz zusammen.

Die beiden Psychologinnen und die beiden Ärzte teilen sich jeweils eine Zulassung. Komplettiert wird das Team durch Susanne Sass, die für die Praxisorganisation verantwortlich ist.

Damit ist die Praxis Leinz unter Psychotherapeuten und Psychologen im Norden eine Ausnahme - fast alle Kollegen setzen noch auf Einzelpraxen.

Für Tina Eule wäre die angestrebte ambulante Tätigkeit ohne die Kooperation kaum möglich gewesen.

Eine Zulassung hätte sie unmittelbar nach ihrer Ausbildung nicht bekommen, die Anstellung auf einer halben Stelle in der Praxis Leinz war für sie der ideale Einstieg in die ambulante Tätigkeit.

Auch ihre Kollegin Jana Stipp könnte sich derzeit eine Einzelpraxis schwer vorstellen. Sie reizte der Austausch mit Kollegen.

Einmal pro Woche besprechen sich die Praxismitglieder in Teamsitzungen. Dort geht es um fachliche Fragen, aber auch darum, welcher Patient mit welchem Verfahren der Praxis am besten behandelt werden kann.

Patienten profitieren vom Austausch der Therapeuten

So profitieren die Patienten vom Fachwissen der anderen Therapeuten, wenn die Fälle in den Teamsitzungen besprochen werden, und Patienten aus der Einzelbehandlung werden zur Weiterbehandlung in einer Gruppentherapie motiviert.

Damit hat die Kooperation in den Augen der Beteiligten einen deutlichen Vorteil gegenüber Einzelpraxen, wo ein Methodenmix verschiedener Fachrichtungen nicht möglich ist.

"Eine strikte Trennung der Methoden halte ich nicht mehr für zeitgemäß", sagt Leinz dazu.

Er bringt als Schwerpunkte bedarfsorientierte, tiefenpsychologische Psychotherapie als Frühintervention, Psychosomatische Gespräche, Gruppentherapie und Beratungen/Individualprävention ein.

Sein Kollege Boris Golunski bietet tiefenpsychologische Langzeiteinzeltherapie und Psychotherapie zur beruflichen Wiedereingliederung/Rehabilitation an.

Die beiden Psychologinnen setzen ihre Schwerpunkte auf die Verhaltenstherapie als Kurz- und Langzeittherapie bei Erwachsenen.

Damit kann die Kieler Kooperation unterschiedliche Therapieverfahren wie ein psychologisches Versorgungszentrum unter einem Dach anbieten.

BAG von Psychotherapeuten werden kaum gefördert

Damit die einzelnen Therapeuten zu einem für alle befriedigenden Ergebnis in der Behandlung kommen, sind Grundregeln erforderlich, die Leinz schon bei der Zusammensetzung des Teams beachtet hat:

Alle sind bereit, von den anderen zu lernen, sich gegenseitig zu inspirieren, Erfahrungen weiterzugeben und Kompetenzen gemeinsam auszubauen.

Bei der Anstellung der Therapeuten konnte Leinz dies zwar betonen - sicher sein, dass alle es anschließend auch mittragen, konnte er nicht.

"Bei der Auswahl der Teammitglieder muss man sich auch auf Intuition verlassen", sagt Leinz.

Ein weiterer Vorteil der Zusammenarbeit: Fällt ein Therapeut aus, muss die Therapie nicht - wie in Einzelpraxen üblich - verschoben werden, sondern kann auch durch andere Teammitglieder übernommen werden.

Dass Kooperationen in der ambulanten Psychotherapie bislang Ausnahmen sind, könnte auch an fehlenden Anreizen liegen.

Im Gegensatz zum ärztlichen Bereich werden etwa Berufsausübungsgemeinschaften in diesem Bereich nicht gefördert.

Bisher gibt es wenig Unterstützung durch die Kassen

Auch die Krankenkassen sind bislang zurückhaltend beim Erkennen der Vorteile, die eine psychotherapeutische Kooperation bietet.

"Es ist sehr verwunderlich, dass sich die Krankenkassen nicht mehr für die bessere Behandlung psychischer Störungen engagieren", sagt Leinz dazu.

Allein die Ausgaben für Krankengeld bei psychischen Störungen seien seit 2009 um circa 500 bis 600 Millionen Euro pro Jahr angestiegen.

Die Gesamtausgaben für die ambulante Behandlung psychischer Störungen stiegen nicht wesentlich an. 2009 hätten sie 1,3 Milliarden im Jahr betragen.

Die ambulante Zahnmedizin sei den Krankenkassen und der Politik jedoch über zehn Milliarden im Jahr wert. "Das ist eigentlich ein Fall für den Rechnungshof", sagt Leinz.

Es gibt aber auch positive Signale: Die erste Krankenkasse hat jüngst eine außervertragliche Psychotherapie - und damit budgetunabhängig - bei einer arbeitsunfähig kranken Versicherten genehmigt.

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