Im Medizinbetrieb

Frauenquote nur für Führungspositionen?

Für Medizinerinnen wird die Luft dünn, wenn es um die Besetzung von Posten jenseits der Chefarztebene geht. Das ist Gabriela Kaczmarczyk, Initiatorin der Kampagne "Pro Quote Medizin", ein Dorn im Auge.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Die Qual der Wahl: Wer macht künftig das Rennen bei der Besetzung von Spitzenpositionen in der Medizin?

Die Qual der Wahl: Wer macht künftig das Rennen bei der Besetzung von Spitzenpositionen in der Medizin?

© Photo-K/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Der Frauenanteil im Medizinstudium liegt deutlich über 60 Prozent. Ist es da im Jahr 2016 noch sinnvoll, eine Frauenquote in der Medizin zu fordern?

"Aber ja", antwortet Gabriela Kaczmarczyk kurz und eindeutig auf diese Frage. Allerdings geht es ihr nicht um eine generelle Frauenquote, sondern um eine Quote für Führungspositionen.

Schon 1997 seien 50 Prozent der Medizinstudenten weiblich gewesen, sagt die Professorin, die die Kampagne "Pro Quote Medizin" unterstützt.

Neun Jahre später seien fünf Prozent der Medizinlehrstühle mit Frauen besetzt gewesen, derzeit seien es zehn Prozent der wichtigen klinischen Lehrstühle.

"Man kann natürlich sagen: Was wollt Ihr denn, der Frauenanteil bei den Spitzenpositionen hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt, aber gemessen an der Zahl der Medizinerinnen ist er immer noch bemerkenswert niedrig", kritisiert Kaczmarczyk.

Erfreulicher Trend bei Oberärztinnen

Erfreulich habe sich die Zahl der Oberärztinnen entwickelt. Hier liege der Anteil mittlerweile bei 30 bis 35 Prozent und verteile sich ziemlich gleichmäßig auf alle Kliniken. Aber ihr und ihren Mitstreiterinnen gehe es vor allem um Positionen vom Chefarzt an aufwärts.

Nachholbedarf sieht sie hier vor allem bei einigen Universitäten. So gebe es an den medizinischen Hochschulstandorten Greifswald und Homburg/Saar nicht eine einzige Frau auf einem Lehrstuhl, während in Hamburg und Münster 23 Prozent der Lehrstühle mit Medizinerinnen besetzt sind.

"Das macht etwas aus in der Unternehmenskultur", ist Kaczmarczyk, die auch Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes ist, überzeugt.

Der nahezu leer gefegte Arbeitsmarkt für Ärzte könnte helfen, die Karrieren von Medizinerinnen zu beflügeln. "Mittlerweile gibt es an fast allen Unikliniken Mentoringprogramme.

Die werden von der Personalentwicklung betreut, weil die Frauen gebraucht werden", hat Kaczmarczyk festgestellt. Allerdings gebe es oft in Kliniken noch strukturelle Hindernisse.

"Viele Chefärzte wären doch schlecht beraten, wenn sie ihre guten Oberärztinnen, die ihnen den Rücken freihalten, weiterempfehlen würden.

Stattdessen werden häufig lieber junge Assistenten, die vieles besser könnten als der Chef, weggelobt und die Frauen haben das Nachsehen", so Kaczmarczyk.

Keine Weiterbildung auf halber Stelle

Frauen, die Karriere machen wollen, rät Kaczmarczyk dringend davon ab, die Facharztweiterbildung auf einer halben Stelle zu absolvieren. Das dauere in der Regel zehn Jahre und sei kontraproduktiv, wenn man vorankommen wolle.

Tipps hat sie für Arbeitgeber, die auf der Suche nach engagierten Ärztinnen sind. So schlägt sie ein sogenanntes Top-Sharing vor. Also ein Jobsharing für Chefpositionen. Das sei bei einem Jahresgehalt von 200.000 Euro für die gesamte Stelle wirtschaftlich möglich und interessant.

Wenn die Chemie zwischen den beiden Stelleninhabern stimme, könne die Arbeit tage- oder wochenweise aufgeteilt werden. Das sei nicht überall möglich, aber doch weitaus häufiger, als angenommen werde. "Man muss eine Klinik durchleuchten um zu sehen, wo so etwas funktionieren kann", sagt Kaczmarczyk.

Ihrer Erfahrung nach sind Personalchefs offen für solche Lösungen, weil sie dringend qualifizierte Kräfte brauchen. Zudem zeige der Arbeitsalltag, dass viele Führungskräfte ohnehin oft unterwegs seien, dann müsse die Arbeit auch gemacht werden.

Was können Kliniken unternehmen, um für Ärztinnen attraktiv zu werden? Besonders wichtig sei die Förderung durch die Vorgesetzten, sagt Kaczmarczyk.

Ein Kindergarten, der auch abends geöffnet ist, erleichtere das Leben natürlich. Am besten sei es, wenn in einer Stellenausschreibung nicht nur beschrieben werde, was alles verlangt, sondern auch was Besonderes geboten wird.

Familienfreundliche Arbeitszeiten erwünscht

Zu den Besonderheiten, die eine Stellenanzeige attraktiv machen, zählen familienfreundliche Arbeitszeiten, Kinderbetreuung, die Beschreibung eines frauenfreundlichen Klimas und Zahlen, wie viele Frauen bereits in Führungspositionen beschäftigt seien. Zudem sollten spezielle Agreements möglich sein, sagt Karczmarczyk.

Zu diesem Vorgehen rät auch Timo Krasko, Mitgründer des auf medizinisches Personal spezialisierten Karriereportals praktischArzt.de.

Seine Erfahrung: "Stellenangebote, die nachvollziehbare Leistungen im Bereich der Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufweisen, erzielen wesentlich höhere Reichweiten und mehr Reaktionen, als herkömmliche Angebote."

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen