Im Hilfsmitteldepot lauert eine neue Falle

Am 1. April tritt der neue Paragraf 128 SGB V in Kraft, der die Zusammenarbeit zwischen Hilfsmittelerbringern und Ärzten reglementiert - und das sehr restriktiv. Wer jetzt etwa von einem Sanitätshaus neue Vertragsvorschläge erhält, sollte schon die Folgen kennen, verstößt er gegen Paragraf 128.

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Ein Hilfsmitteldepot in der Praxis - zum Beispiel für Gehhilfen - darf künftig nur noch für Notfälle geführt werden. Für alles andere muss der Verordnungsblock erneut gezückt werden.

Ein Hilfsmitteldepot in der Praxis - zum Beispiel für Gehhilfen - darf künftig nur noch für Notfälle geführt werden. Für alles andere muss der Verordnungsblock erneut gezückt werden.

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In den letzten Jahren ist die ärztliche Berufsausübung in den Berufsordnungen und im Vertragsarztrecht erheblich liberalisiert worden. Der einzige Bereich, in dem diese Tendenz nicht festzustellen ist, ist die Zusammenarbeit von Ärzten mit pharmazeutischen Unternehmen, Apotheken sowie Heil- und Hilfsmittelerbringern. Hier werden die Kooperationsmöglichkeiten zunehmend restriktiver gefasst. Als jüngste Maßnahme tritt am 1. April 2009 der neue Paragraf 128 SGB V in Kraft. Dessen Überschrift lautet "Unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten" und besagt bereits fast alles: Die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte über Depots bei Vertragsärzten ist unzulässig, soweit es sich nicht um Hilfsmittel handelt, die zur Versorgung in Notfällen benötigt werden.

Auch geregelt wird, dass der Leistungserbringer Vertragsärzte nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren darf. Unzulässig ist auch die Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen, die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmitteln von Vertragsärzten erbracht werden. Nach der Gesetzesbegründung soll es "deutliche Hinweise auf Fehlentwicklungen in der Zusammenarbeit zwischen Hilfsmittelerbringern und Vertragsärzten geben, wobei allein die straf-, berufs- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in der Praxis fragwürdige Formen der Zusammenarbeit offenbar nicht wirksam verhindern konnten". Der Gesetzgeber verweist auf das freie Wahlrecht der Patienten, deren Entscheidung unbeeinflusst durch wirtschaftliche Interessen der verordnenden Ärzte getroffen werden soll.

Man kann nun hinterfragen, ob dies primäres oder alleiniges Ziel des Gesetzgebers ist: Paragraf 128 SGB V sieht nämlich durchaus vor, dass Vertragsärzte an der Versorgung mit Hilfsmitteln mitwirken dürfen und für zusätzlich erbrachte Leistungen ein Honorar erhalten. Dies ist jedoch nur zulässig, wenn diese Mitwirkung beziehungsweise die Zahlungen auf Verträgen mit Krankenkassen, also IV-Verträgen, Verträgen nach Paragraf 73 b oder c SGB V oder DMP beruhen. In diesen Fällen soll die freie Wahlentscheidung des Patienten nicht allein maßgeblich sein. Vielmehr wird deutlich, dass es dem Gesetzgeber zumindest auch, wenn nicht überwiegend, darum geht, die bisher Vertragsärzten zufließenden Zahlungen oder Vorteile aus Rabatten den gesetzlichen Krankenkassen zugute kommen zu lassen.

Die Kassen werden zum Prüforgan des Gesetzgebers.

In der Praxis können die neuen Regelungen erhebliche Bedeutung erlangen. Die Krankenkassen sollen nämlich unter anderem durch Auswertung des Verordnungsverhaltens prüfen, ob Verstöße gegen Paragraf 128 stattfanden. Hilfsmittelerbringern droht im Fall eines Verstoßes ein bis zu zweijähriger Ausschluss an der Teilnahme an der Versorgung, also eine mit dem disziplinarrechtlichen Ruhen der vertragsärztlichen Zulassung vergleichbare Sanktion.

Aber auch Vertragsärzte müssen sich auf zunehmende berufs- oder vertragsarztrechtliche Verfahren einstellen. Berufsrechtlich ist es bereits untersagt, für die Zuweisung von Patienten Geld oder andere wirtschaftliche Vorteile entgegenzunehmen. Dieser berufsrechtliche Verstoß ist auch vertragsarztrechtlich relevant, wenn die Verordnungen für gesetzlich versicherte Patienten ausgestellt werden, da deren Willensentscheidung beeinflusst wird und darüber hinaus der Vertragsarzt an dem sozialrechtlich untersagten Verhalten des Hilfsmittelerbringers beteiligt ist.

Erlaubt bleibt das Hilfsmitteldepot in der Praxis, sofern die Hilfsmittel in Notfällen benötigt werden. Dies kann in Bezug auf Gehhilfen oder auch bestimmte Bandagen der Fall sein. Da der Begriff des Hilfsmittels für den Notfall nicht abschließend konkretisiert ist, empfiehlt sich im Zweifel eine Anfrage bei der Ärztekammer.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Vertragsarzt in den nächsten Wochen von Hilfsmittelerbringern mit der Bitte angesprochen wird, die bisherigen Verträge zu ändern und zum Beispiel Beraterverträge, Vortragsvereinbarungen, Mietverträge oder ähnliches abzuschließen. Hier ist Vorsicht geboten: Bei wirtschaftlicher Betrachtung wird es sich häufig um Umgehungsgeschäfte handeln. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die vom Arzt aufgrund dieser Verträge zu erbringende Leistung wirtschaftlich in einem ausgewogenen Verhältnis zu der an ihn fließenden Zahlung steht. Da der Beratervertrag das am häufigsten gebrauchte Instrument zur vermeintlichen Kaschierung von Umgehungsgeschäften ist, wird der Beweis der wirtschaftlichen Äquivalenz aber eher dem Arzt obliegen.

Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht und Partner der Rechtsanwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn.

So steht es im Gesetz

Paragraf 128 SGB V setzt der Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Vertragsärzten enge Grenzen. Im Gesetzestext steht: "Die Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte über Depots bei Vertragsärzten ist unzulässig, soweit es sich nicht um Hilfsmittel handelt, die zur Versorgung in Notfällen benötigt werden." Außerdem dürfen Leistungserbringer Vertragsärzte nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen.

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