Endlich nicht mehr allein auf der Insel

Bis vor kurzem war Frank Kortenhorn der einzige Hausarzt auf der Nordseeinsel Wangerooge. Doch ein Artikel in der "Ärzte Zeitung" brachte ihm einen Kollegen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Im Sommer potenziert sich die Bevölkerung von Wangerooge durch die Urlauber.

Im Sommer potenziert sich die Bevölkerung von Wangerooge durch die Urlauber.

© Foto: cben

WANGEROOGE. Geht doch. Frank Kortenhorn, Hausarzt auf der Nordseeinsel Wangerooge, ist neuerdings deutlich entspannter. Nachdem die "Ärzte Zeitung" über den schier unglaublichen Engpass in der Versorgung auf der ostfriesischen Insel berichtet und die schwierige Lage des Kollegen öffentlich gemacht hatte, konnte Kortenhorn sich über eine Menge tätiger Solidarität freuen.

Heute hat er endlich einen Kollegen, mit dem er sich den aufreibenden Inseldienst teilt, renoviert gerade die neuen Praxisräume und zieht in eine neue Wohnung. Außerdem hat der Hausärzteverband eine Liste von zehn bis 15 Kollegen aus der Küstenregion zusammengestellt, die im Notfall nach Wangerooge übersetzen und helfen.

Die Insel hat im Winter nur 1200 Einwohner

Vor wenigen Monaten schien die Lage den Hausarzt noch zu erdrücken. Nur 1200 Einwohner hat die westlichste der ostfriesischen Inseln vor der Küste Niedersachsens. Aber in der Sommersaison potenziert sich die Bevölkerung und damit der Patientenstrom. Laut Kurverwaltung der Insel haben allein im Jahr 2008 mehr als 102 000 Menschen die Insel besucht. Viel Arbeit für einen Arzt, zu viel. Eben erst hatte sich der zweite Arzt aus gesundheitlichen Gründen von seiner Praxis und der Insel verabschiedet. Die Praxis zu verkaufen ist kaum möglich, niemand will ins Wattenmeer, und der Sitz verfiel. Kurz: Der komplette Job blieb an dem 41-jährigen Kortenhorn hängen. Im März hat es ihm dann gereicht: "Wenn da nichts passiert, dann gehe ich!" Er ist geblieben. Was ist passiert?

Ein Kollege aus der Nähe Osnabrücks, Henning Hoppe, hatte den Bericht in der "Ärzte Zeitung" gelesen und griff spontan zum Telefonhörer. "Er wollte einfach mal gucken, wie es sich hier so arbeitet", sagt Kortenhorn. Nach dem ersten Besuch war klar, Hoppe, ohnehin wechselwillig, würde alle 14 Tage Dienst auf Wangerooge machen. Die Kooperation lief so gut, dass Hoppe seit dem 1. Juli fest bei Kortenhorn angestellt ist. "Endlich jemand, mit dem ich auf Augenhöhe sprechen kann", so der Inselarzt.

Frank Kortenhorn: "Wenn es eng wird, würde ich auch nach Helgoland fliegen."

Zugleich beschloss die KV Niedersachsen einen satten Inselzuschlag, von dem Hoppe derzeit bezahlt wird. Die KV hat eine Umsatzgarantie ausgesprochen, die sich an Kortenhorns Fallzahl vergangener Jahre orientiert (1500 bis 1800 Fälle) plus Angestelltengehalt für den Kollegen Hoppe und einer zusätzlichen Arzthelferin. Das jetzige Angestelltenverhältnis soll zum Jahresende zu Gunsten einer Praxisgemeinschaft aufgelöst werden. Zuvor muss noch der Zulassungsausschuss der KV Niedersachsen per Sonderbedarfszulassung einen neuen Arztsitz auf Wangerooge schaffen, um den verfallenen Sitz des Vorgängers zu ersetzen. In den Praxisräumen, die die beiden Ärzte ab Januar 2010 gemeinsam nutzen werden, wird derzeit noch gehämmert und tapeziert. Sind die beiden Ärzte erst eingezogen, werden sie durch die gemeinsame Nutzung Geld sparen. Inzwischen war sogar der zweite Blockpraktikant von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Kortenhorns Praxis im Einsatz.

Fachärzte kommen für ein paar Tage auf die Insel

Unterdessen organisiert Kortenhorn Fachärzte, die für ein paar Tage auf die Insel kommen. "Gut für die Patienten und so etwas wie eine kleine Fortbildung für mich", so der Arzt. Ein Chirurg, ein Kinder- und ein Hautarzt und eine Augenärztin, sogar ein Neurologe machen derzeit Stippvisiten auf Wangerooge. "Wie haben inzwischen ein richtiges kleines Netz aufgebaut", sagt Kortenhorn.

Also alles klar auf den deutschen Nordseeinseln? Nein. Auch der Hausarzt auf der Insel Helgoland, Klaus Wogawa, weit draußen in der Deutschen Bucht, hatte den Bericht in der "Ärzte Zeitung" gelesen. Kürzlich rief er auf Wangerooge an. Kortenhorn: "Er klagte über 30 Prozent Einnahmeverlust durch die neuen Regelleistungsvolumina und jede Menge Arbeit. Einen Inselzuschlag aber zahlt die KV Schleswig-Holstein nicht." Der Wangerooger Kollege begriff sofort: "Wenn es eng wird, würde ich auch rüber fliegen."

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