Kooperationsärzte der Botschaft helfen kranken Deutschen in Japan

Dr. Thomas Nagano und Dr. Masato Ueki sind zwei von rund 40 Kooperationsärzten der Deutschen Botschaft in Tokio. Sie sprechen Deutsch und sind erste Anlaufstellen, wenn deutsche Firmenvertreter vor Ort erkranken.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

Der Erfolgsdruck auf Expatriates deutscher Unternehmen in Tokio nimmt zu. Im Zuge dessen steigen auch die Fälle der Depressionen bei den aus Deutschland nach Japan entsandten Mitarbeitern. Diese Beobachtung hat Dr. Masato Ueki gemacht. In seiner Kamiuma Clinic im Tokioter Stadtteil Setagaya behandelt der Allgemeinmediziner Führungskräfte verschiedener ausländischer Unternehmen und deren Angehörige, vor allem aber deutsche Patienten - gesprochen wird Deutsch. Da immer mehr westliche Führungskräfte in Tokio homöopathische Angebote nachfragen, hat sich Ueki in Großbritannien entsprechend weitergebildet. In Japan spielt die Homöopathie so gut wie keine Rolle, da die Traditionelle Chinesische Medizin - auf Japanisch Kanpo genannt - Angebote jenseits der Schulmedizin dominiert.

Etwa 5000 Deutsche halten sich nach Schätzung des Auswärtigen Amtes dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum in Japan auf - rund 3500 davon im Großraum Tokio. Auch bei Dr. Thomas Nagano, der in seiner Familie in der 18. Generation als Arzt tätig ist, können Deutsche ihr Anliegen im Krankheitsfall in ihrer Muttersprache vorbringen. Der Kardiologe bietet sich auch als Lotse und Dolmetscher an, wenn er Patienten in Kliniken überweist, in denen nicht zumindest englischsprachige Ärzte vorhanden sind.

Nagano und Ueki sind sogenannte Kooperationsärzte der Deutschen Botschaft in Tokio. Im Internet hält die Botschaft eine Liste mit rund 40 niedergelassenen Ärzten verschiedener Fachrichtungen, aber auch Kliniken, Psychologen und Zahnärzten bereit, an die sich Deutsche zumindest in englischer Sprache wenden können, wenn sie während ihres Aufenthaltes in Tokio erkranken. Angesichts tausender Kliniken und Ärzte, die es in dem Ballungsgebiet Tokio/Yokohama mit seinen rund 35 Millionen Einwohnern gibt, erscheint die Anzahl der Kooperationsärzte bescheiden.

"Was hier in Tokio wirklich fehlt, ist eine Klinik, in der Patienten rund um die Uhr zumindest in englischer Sprache betreut werden können - von Ärzten, Krankenschwestern und dem Rezeptionspersonal", stellt Ueki im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" fest. "Ausländische Patienten sind für japanische Ärzte im Allgemeinen uninteressant. Sie kosten viel Mühe und Zeit - und bringen keine zusätzliche Vergütung", ergänzt Nagano.

Letzteres lässt sich durch das Krankenkassensystem im Land erklären. Ausländer müssen sich bei einem längeren Aufenthalt im Land der aufgehenden Sonne - wie Japaner auch - entweder in einer betrieblichen oder kommunalen Krankenkasse versichern. Privatversicherungen gibt es in Nippon nicht.

Die gesetzlichen Versicherungen decken allesamt dieselben Leistungen ab. Ärzte erhalten für jeden Patienten eine festgelegte, diagnosenorientierte Vergütung - ambulant wie stationär, für den Chefarzt den gleichen Satz wie für die Neueinsteiger. Patienten zahlen grundsätzlich einen Selbstbehalt von 30 Prozent auf alles - ohne Ausnahme.

So sei es verständlich, erklärt Nagano, "dass japanische Ärzte lieber Fließbandarbeit machen. Speziell für die Behandlung von Westlern brauchen sie mehr Zeit und müssen zu viel erklären. Zumindest die älteren japanischen Patienten fragen beim Arztbesuch nicht nach, bekommen ihre Diagnose und die Medikation. Diese Kultur ändert sich langsam, konstatiert Ueki, und verweist darauf, dass auch immer mehr junge Japaner das Internet nutzen, um zu Gesundheitstehmen zu recherchieren und beim Arztbesuch genauer aufgeklärt werden wollen über das Krankheitsbild und die Behandlung.

Selbst bei privat versicherten Patienten - die meisten deutschen Unternehmen statten ihre Expatriates samt Familie mit solch einem Versicherungspaket aus - würden japanische Ärzte in der Regel keine höheren Sätze erheben, da sie mit diesem System nicht vertraut seien, so Nagano.

Auch sein Kollege Ueki erhebt keine höheren Behandlungskosten, obwohl er sich für die deutschen Patienten viel Zeit nimmt. "Nur Hausbesuche werden zusätzlich vergütet", schränkt Ueki ein, der nach dem Medizinstudium an der Tokyo Medical and Dental University einen längeren Forschungsaufenthalt in Köln hinter sich hat. Die Hausbesuche bietet er allerdings nur im benachbarten Nobel-Stadtviertel Denenchofu an, in dem die meisten deutschen Entsandten wohnen.

Der Halbjapaner Nagano, der nach seinem Medizinstudium an der LMU in München in Tokio an der Toho University die Facharztausbildung zum Kardiologen durchlaufen hat, bietet für privat versicherte Expatriates und deren Familienmitglieder einen umfassenden Service als Lotse an - zu einem höheren Satz.

Wer in Naganos Tokyo International Clinic im Stadtteil Minato ein voll ausgestattet Krankenhaus erwartet, wird enttäuscht. Hier finden höchstens Blutabnahmen und Impfungen statt. Der Hauptteil dient der Sprechstunde. Nagano übernimmt die Erstanamnese und verweist dann an Fachkollegen in Tokioter Kliniken. Sprechen diese nicht Englisch, schickt er eine Betreuerin zum Dolmetschen mit. Er übernimmt die Bezahlung der Kliniken und reicht dann bei den privaten Versicherungen alle Unterlagen komplett ein. Dafür nimmt er eine Servicegebühr. Der Patient muss seiner Versicherung lediglich Bescheid sagen, dass er in Behandlung ist.

Im Gegensatz zu anderen Kooperationsärzten kommen bei Nagano, der unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Schule Tokyo Yokohama ist, wöchentlich nur ein oder zwei Deutsche in die Sprechstunde - aus Zeitmangel. Denn Nagano ist auch für einige japanische und ausländische Firmen als Werksarzt tätig. Ab 50 Mitarbeitern sind diese gesetzlich verpflichtet, mit einem Betriebsarzt zu kooperieren, ab 1000 Mitarbeitern müssen sie einen eigenen anstellen. Seine japanischen Patienten operiert Nagano als Belegarzt an der Toho University oder in seiner eigens bei dem Medizintechnik-Anbieter Canon eingerichteten Klinik, die mit modernstem Gerät ausgestattet sei, wie er schwärmt.

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