Kooperation über Sektorengrenzen hinweg

Pioniergeist im Norden: Neun Ärzte aus verschiedenen Disziplinen behandeln und operieren Patienten als ortsübergreifende Gemeinschaftspraxis an verschiedenen Standorten. Und das alles in Kooperation mit Kliniken.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

KIEL. 3000 Operationen, neun Ärzte, fünf Standorte, eine Praxis: das ist MedBaltic in Schleswig-Holstein. Die Ärzte der ungewöhnlich großen ortsübergreifenden Gemeinschaftspraxis ziehen nach einem Jahr eine positive Bilanz - und sie wachsen weiter.

Sie praktizieren oder operieren in Kiel, Neumünster, Kronshagen, Bornhöved und Altenholz. Die niedergelassenen Orthopäden und Unfallchirurgen und der plastische Chirurg der vor einem Jahr gegründeten Praxis MedBaltic sind inzwischen zu einer bekannten Größe in Schleswig-Holstein geworden.

Dr. Marc Koch, Orthopäde und Unfallchirurg bei MedBaltic. © di

Dr. Marc Koch, Orthopäde und Unfallchirurg bei MedBaltic. © di

© di

Immer mehr niedergelassene Ärzte überweisen ihre Patienten an die Praxisstandorte oder für Operationen in Belegkliniken, in denen die beteiligten Ärzte tätig sind. "Es spricht sich herum, dass wir als Niedergelassene keine Konkurrenz für die überweisenden Kollegen sind. Wir achten streng darauf, dass die uns anvertrauten Patienten in den Praxen der überweisenden Kollegen weiterbehandelt werden", erläutert Dr. Marc Koch einen wichtigen Grundsatz der Gemeinschaftspraxis.

Schweregrad entscheidet über die Wahl der Klinik

Neben der orthopädischen und unfallchirurgischen Basisversorgung an den verschiedenen Standorten in vier Landkreisen sind ambulante Operationen, belegärztliche und konsiliarärztliche Tätigkeiten die Standbeine für die Ärztegemeinschaft. Je nach Schweregrad können die Ärzte entscheiden, welcher Eingriff und welche der kooperierenden Kliniken für den Patienten in Frage kommen. Das Spektrum der Zusatzbezeichnungen ist bei neun Kollegen breit: es reicht von der Endoprothetik über Wirbelsäulenchirurgie, Gelenkchirurgie und Sportmedizin bis zur Fuß- und Handchirurgie. Inzwischen operieren die Ärzte der MedBaltic so erfolgreich, dass manche Klinik an den Standorten die niedergelassenen Ärzte als echte Konkurrenz für ihr stationäres Angebot ausgemacht hat. Die Praxispartner haben damit kein Problem: "Kliniken drängen immer mehr in den ambulanten Bereich. Das ist aber keine Einbahnstraße", sagt Koch, der abwechselnd in der Praxis in Neumünster eine eigene und in Kronshagen eine Vertreter-Sprechstunde abhält, und der regelmäßig im Kieler St. Elisabeth-Krankenhaus als Belegarzt und im Kieler Lubinus Clinicum als Konsiliararzt operiert.

Jeder Partner kann eigenen Schwerpunkt profilieren

Sein Kollege Dr. C. Christian Büll aus Kronshagen hebt als Vorteil des Verbunds heraus, dass jeder Praxispartner seinen Schwerpunkt profilieren kann. Hinzu kommt: "Der fachliche Austausch wirkt sich vorteilhaft aus, Problemfälle werden gemeinsam erörtert, Visiten kann man sich teilen." Außerdem können die Partner viel leichter als ein Einzelkämpfer gemeinsam Behandlungskonzepte und Behandlungsstandards entwickeln.

Die Organisation der verschiedenen Standorte wird über einen zentralen Server in Kiel erleichtert. Von allen Standorten der Praxis kann auf jede Krankenakte und jede Aufnahme zugegriffen werden. Das Mitarbeiterteam ist rotierend an jedem Standort einsetzbar - ohne Zeitverzögerung für eine Einarbeitung. Eine Praxismanagerin ist für den Verbund unverzichtbar. Die Ärzte selbst konzentrieren sich in der Verwaltung auf individuelle Schwerpunkte. Einer ist für Personalführung verantwortlich, ein anderer koordiniert die Mitarbeit in den Gremien von KV und Ärztekammer, ein dritter die Zusammenarbeit mit den Kliniken.

Neben den Mitarbeitern rotieren auch die Ärzte selbst, damit den Patienten an den verschiedenen Standorten Spezialsprechstunden aus dem breiten Spektrum der Praxis geboten werden können.

Weiterer Vorteil des Verbunds: ein Arzt ist nur für Praxisvertretungen angestellt. Er füllt die Lücken, die bei den Partnern durch Fortbildungen oder Urlaub in den Praxen entstehen. Die Patienten müssen sich so nicht an immer neue Gesichter gewöhnen, sondern kennen häufig den Vertreter bereits von früheren Besuchen. Der Verbund leistet mit dem Standort Bornhöved auch einen Beitrag zur Versorgung in der Fläche. Ältere Kollegen in der Gemeinschaftspraxis - Hans-Georg Reinartz aus Neumünster ist Mitte 60 -können ihre Arbeitszeit auf wenige Tage pro Woche reduzieren, ohne ihre Praxis zu inakzeptablen Konditionen abgeben oder an Träger verkaufen zu müssen, die ihr freiberuflich geschaffenes Lebenswerk in einen Konzern eingliedern.

Für die beteiligten Ärzte steht die Kollegialität im Vordergrund, betont Büll: "Der Wert der Gemeinschaft ist wichtiger als der eigene Vorteil." Künftig strebt MedBaltic auch eigene Verträge mit den Kassen an. Für diese Verhandlungen sehen die Ärzte aber ganz klar ihre Grenzen - sie lassen sich von KV und Ärztegenossenschaft beraten.

Inzwischen ist das Modell so erfolgreich, dass sich weitere Ärzte dem Verbund anschließen. Aus Bad Bramstedt kommt im April Dr. Martin Fürst als Rheuma-Orthopäde und Endoprothetiker hinzu. Ein Neurochirurg wird das Team ebenfalls in Kürze verstärken.

Versorgungswettbewerb im Norden

(di)

Mehr zum Thema

Praxis-IT

KBV: Neuer Anforderungskatalog an PVS

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen