Praxiskolumne

Röslers Kommission ist die falsche Arznei gegen Ärztemangel

Bundesgesundheitsminister Rösler ist auf dem Holzweg, wenn eine Kommission den Ärztemangel bekämpfen soll. Praktiker könnten hier eher Auswege aufzeigen.

Von Bernd W. Alles Veröffentlicht:
Jungärzte finden derzeit viele Gründe, die gegen die Niederlassung sprechen. Das "Ja" zur eigenen Praxis fällt schwer.

Jungärzte finden derzeit viele Gründe, die gegen die Niederlassung sprechen. Das "Ja" zur eigenen Praxis fällt schwer.

© Eisenhans / Fotolia.com

Er ist als ernsthaftes Problem erkannt, der sich abzeichnende Ärztemangel. Vor allem in ländlichen Regionen wird es wohl knapp werden. Und eine "Kommission" soll es nun richten - so der Plan des Bundesgesundheitsministers.

Wenn die "Kommissare" aus dem Kreis der Akteure im Gesundheitswesen - sprich Krankenkassen, Gesundheitspolitiker und "Leistungserbringer" - ausgewählt werden, ist ein Scheitern wahrscheinlich.

Denn sind es nicht genau diese Menschen, die für das gegenwärtige Gesundheitswesen verantwortlich zeichnen? Und die eigenen Fehler findet man bekanntlich selten. Was dann auch Grund für das boomende Geschäft der Unternehmensberater ist.

Dabei könnte es so einfach sein: Brainstorming mit dem Thema "Pro und Contra Niederlassung", durchgeführt mit den Betroffenen - den Studenten der Medizin und jungen Assistenzärzten.

Dazu zwei Parallelveranstaltungen, eine mit "Jung-Niedergelassenen" - Thema "Warum ich mich niedergelassen habe"- und eine mit "alten Hasen" - die sich fragen "Würde ich mich heute wieder niederlassen?"

So könnten Motivationsschübe, aber auch Motivationshemmnisse der Betroffenen zu Papier gebracht werden. Und die Grundlage bilden für die nötige Umgestaltung, wenn man dem Nachwuchsmangel ernsthaft entgegenwirken will. Aus zahlreichen Diskussionen mit jungen und älteren Kolleginnen und Kollegen ergibt sich Folgendes. Drei wichtige Gründe, die für eine Niederlassung sprechen, sind offenkundig:

• Viele Ärzte haben die Nase voll vom Angestelltendasein.

• Die Hoffnung auf bessere Verdienstmöglichkeiten lockt.

• Es gibt bessere Möglichkeiten zur "Selbstverwirklichung".

Wesentlich umfangreicher ist hingegen die Liste der offenkundigen Gründe, die gegen eine Niederlassung sprechen:

• Kein soziales Netz - Krankheit, Urlaub, Arbeitslosigkeit - mit entsprechender Arbeitgeberbeteiligung.

• Unternehmerisches Risiko - vor allem mangelnde Planungssicherheit aufgrund sich ständig ändernder kassenärztlicher Gebührenordnungen und Honorarverteilungen, aber auch viele Verpflichtungen, die sich aus Anstellung von Personal ergeben.

• Umfangreicher, vertragsärztlicher Pflichtenkatalog, verglichen mit einem dürftigen Katalog der Rechte.

• Das Regressrisiko ist jedenfalls gefühlt hoch.

• Notdienstbereitschaften - oft unbezahlt, wie zum Beispiel die Hintergrundbereitschaft in Hessen.

• Überreichlich vorhandene Bürokratie, die immer noch mehr wird, wie zum Beispiel die neue ICD-Kodierung zeigt.

• Hohe Markteintrittshindernisse wie Bedarfsplanung, Facharztstatus, Finanzierungsbedarf zur Praxisgründung oder -übernahme.

• Administrativer Aufwand, dazu zählen Steuern und Sozialabgaben, Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten oder die Qualitätssicherung.

• Rechtsunsicherheit in Form langer Haftungsfristen und teils sehr langwieriger Widerspruchs- beziehungsweise Klageverfahren.

• Zeit- und kostenaufwändige Verpflichtungen ohne zusätzliche Vergütung, wie zum Beispiel Zwangsfortbildung, Einzug der Praxisgebühr, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.

• Demotivierendes Honorarsystem für die Behandlung von Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung - mit faktischem Zwang zur Behandlung möglichst vieler unaufwändiger Patienten, die alleine noch finanziell lohnend sind.

• Faktische Beschneidung der Therapiefreiheit - vor allem durch Regressdrohungen bei Verstößen gegen zahlreiche, kaum überblickbare Vorschriften.

• Zwang zur Akkordarbeit - hohe Fallzahl, niedrige "Bearbeitungszeiten" - aufgrund der geringen Honorare pro Fall (für hessische Allgemeinärzte etwa 40 Euro pro Quartal und Fall). Und das bei faktisch unbegrenztem Leistungsanspruch seitens der Patienten (Flatrate). Hier drängt sich der Vergleich mit dem Herren-Friseur auf: 1x Haare schneiden, Aufwand 15 Minuten, Kosten 20 Euro.

• Vertrauensschwund in der Beziehung zum Patienten aufgrund des Rationierungszwangs.

• Faktische Unverkäuflichkeit vieler Praxen beim Gang in die (unsichere?!) Rente.

Die Liste ist lang und dennoch sicherlich unvollständig. Aber ein Anfang, um das Problem des Nachwuchsmangels zu verstehen und Ansätze zur Problembeseitigung zu kreieren. Doch, wer wagt sich da dran?

Zur Person: Dr. Bernd W. Alles ist Arzt und Betriebswirt. Regelmäßig analysiert er Veränderungen in der Gesundheitspolitik und klopft sie auf ihre Relevanz für niedergelassene Ärzte ab.

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