Ärztenetz MEDeinander: Kassen dringend gesucht

Wie kommt man als Ärztenetz an Kassengelder? Das Diabetes-Netz MEDeinander versucht es nun schon seit Jahren - bislang ohne Erfolg. Netz-Experten und Kassenvertreter nennen nun die Gründe.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Um für Krankenkassen interessant zu sein, müssen Netze mindestens 40 Prozent der Ärzte vor Ort zusammenbringen.

Um für Krankenkassen interessant zu sein, müssen Netze mindestens 40 Prozent der Ärzte vor Ort zusammenbringen.

© [M] Stefan Rajewski / fotolia.com / ill

HANNOVER. Seit Jahren funktioniert das Ärztenetz "MEDeinander" - aber bis heute gibt es keine Kasse, die mit den Initiatoren aus Hannover einen Vertrag schließen will. Das berichtet Hausarzt Dr. Klas Mildenstein aus Hannover, der zu den Initiatoren von MEDeinander gehört.

Zusammen mit einigen Kollegen hat er das Netz zur Versorgung von Diabetes-Patienten geknüpft. Darin kooperieren Hausärzte, ein Diabetologe, dazu Klinik, Augenarzt, Nephrologe, Apotheker, Podologe und ein orthopädischer Schuhmacher.

"Durch unsere Fußambulanz und das gute Wundmanagement zum Beispiel haben wir bei den Patienten kaum mehr Amputationen" sagt Mildenstein.

Grund genug für die Kassen? "Wir hatten vor zwei Jahren zusammen mit der Firma Optimedis aus Hamburg ein fertiges Konzept vorgelegt - aber die AOK war nicht interessiert." Mildenstein sucht seither einen Vertragspartner.

Die Episode zeigt: Die gute Idee genügt oft nicht. Wer eine Krankenkasse für eine Netz-Idee gewinnen will, muss seine Arbeit in einen größeren Rahmen stellen.

"Damit ein Netz für die Kassen interessant wird, muss es 40 bis 70 Prozent aller Ärzte einer Region umfassen", erläutert Helmut Hildebrandt von Optimedis, "diese 40 Prozent konnte MEDeinander leider nicht bieten".

Kassen achten auf professionelles Netz-Management

In der Tat setzen die Krankenkassen auf Größe. "Denn sie müssen für die betreffende Region eine Datenanalyse machen und beurteilen, ob sich das Investment lohnt", erklärt Hildebrandt. "Das ist aufwändig und lohnt sich bei kleinen Netzen oft nicht."

Immerhin erwarten die Netze ein Investment der Kassen, das schnell siebenstellig werden kann. Hildebrand spricht von zwei bis vier Millionen Euro Investition pro Jahr, je nach Netzgröße.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist der Organisationsgrad im Netz, sagt Jörg Reytarowski, Unternehmensbereichsleiter Ärzte bei der AOK Niedersachsen. So sollten die Netze eine professionelle Organisation entwickeln mit Büro samt Arbeitskräften.

Denn neben die medizinischen Versorgung treten ganz neue Tätigkeitsfelder, die sie selber nicht abdecken können: Pressearbeit, Werbung der Kollegen und ein Außendienst für die teilnehmenden Ärzte sowie die elektronische Vernetzung und Projektgruppen samt Vorbereitung.

All das kann wohl kein Arzt neben der Praxis her machen", meint Hildebrandt, "eigentlich braucht man einen Generalunternehmer." Viele Netze in Planung unterschätzten das. Reytarowski: "Manche schaffen es nicht einmal, uns eine Teilnehmerliste zu schicken."

Das dürfte nicht das Problem Mildensteins gewesen sein. Allerdings kam seine richtige Idee auch wohl zur falschen Zeit.

"Unser Angebot an die AOK lief, kurz bevor der Morbi-RSA eingeführt werden sollte. Und die Krankenkassen wussten nicht, was sie das Ganze kosten würde", erklärt Hildebrandt, "entsprechend zurückhaltend waren sie auch mit einer neuen Netz-Idee."

Außerdem wollte die AOK eine landesweite Lösung für die Diabetes-Patienten, die sie kürzlich mit der Besserstellung von Schwerpunktpraxen angepackt hat.

Mildenstein indessen hat vor allem die Kooperation als solche im Blick: "Gerade die Überschaubarkeit einer Gruppe von höchstens 50 Ärzten macht die Arbeit fruchtbar. Man muss sich kennen, sonst hätten wir ja eine KV im Kleinen."

Knackpunkt bleibt die Anschub-Finanzierung

Dass aber selbst gut gerüstete Netze bei den Kassen teilweise auf Granit beißen, zeigt das "Gesunde Leinetal" bei Hannover, ein Netz, in dem die Ärzte seit Jahren planen, wie im "Gesunden Kinzigtal" zusammenzuarbeiten.

Die Kollegen im Leinetal brauchen derzeit die Tugend der Heiligen: Geduld. Das sagt Armin Meyer, der bei der Optimedis AG das Projekt betreut. Mit 80 von 121 Ärzten hat das Netz rund drei Viertel der Kollegen der Region versammelt.

Immer wieder sei man bei der AOK oder anderen einen Schritt voran gekommen, bis die Kassen dann Geld für die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) brauchten, der Fonds eingeführt wurde oder einfach ein neuer Chef kam, sagt Meyer, "stets muss man mit den Gesprächen erneut beginnen."

Der "Knackpunkt" ist und bleibt die Anschub-Finanzierung. "Wir gehen davon aus, dass nach zwei Jahren der Return of Investment beginnt. Aber garantieren können wir es natürlich nicht", erklärt Meyer.

Reytarowski auf der Kassenseite argumentiert, dass viele der Leinetal-Patienten ohnehin nach Hannover zum Arzt gehen und auch der Marktanteil der AOK in der Region mit 25 Prozent zu niedrig liege. Also sucht Optimedis derzeit Privatinvestoren.

Klas Mildenstein denkt derweil an die KV Niedersachsen. Sie könnte zum Beispiel die Abrechnung übernehmen und für MEDeinander gegenüber den Kassen ein starker Partner sein. Laut KVN gibt es aber derzeit keine Gespräche oder Verhandlungen.

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