Land unter auf Baltrum

Dringend Inselarzt gesucht!

Auf der Nordseeinsel Baltrum hört demnächst eine der einzigen beiden Hausärztinnen auf. Nun sucht die gesamte Insel dringend einen Nachfolger. Finanziell lohne sich das durchaus, versichern KV und die aufhörende Ärztin.

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Hausärztin Althainz: Ihr Nachfolger fehlt noch.

Hausärztin Althainz: Ihr Nachfolger fehlt noch.

© privat

BALTRUM (cben). Land unter auf der Nordseeinsel Baltrum. Die Hausärztin auf dem kleinen Eiland vor der Niedersächsischen Küste, Dr. Ellen Althainz, will zum 1. September aufhören. Jetzt fehlt ein Nachfolger.

Eigentlich dürfte es dann bei der Versorgung der Patienten keine Kapazitätsprobleme geben. Denn für die gerade mal 500 Einwohner der Insel arbeiten seit Jahren zwei Allgemeinmedizinerinnen in ihrer Inselpraxis.

Und doch sucht die Inselgemeinde Baltrum händeringend für Althainz einen Nachfolger oder Nachfolgerin, der ihre Hälfte der Gemeinschaftspraxis kaufen will.

Denn wenn Urlaubszeit ist, wächst die Zahl der potentiellen Patienten auf 4000 an. Touristen aus ganz Deutschland überschwemmen die Insel und manchmal auch die Praxis.

"Da wäre die Kollegin Eva Bach rund um die Uhr 24 Stunden beschäftigt", sagt Althainz, "kurz: Allein ist das hier nicht zu packen."

Keine Ärzte, keine Gäste

Auch die Inselgemeinde zieht mit bei der Suche. Inselbürgermeisterin Antje Wietjes-Paulick (CDU) klebt Plakate, schaltet Anzeigen und stellt dem künftigen Arzt je nach Bedarf sogar Wohnraum zur Verfügung, "groß, mittel oder klein", wie sie sagt.

In der Tat hat die Bürgermeisterin allen Grund, sich zu sorgen. Denn der Touristenzustrom hängt auch davon ab, ob die ärztliche Versorgung auf Baltrum stimmt.

Denn es gilt: Keine Ärzte - keine Gäste. Nun hofft die Inselgemeinde auf den schnellen Entschluss eines Festlandkollegen.

Als Althainz 1986 auf die Insel kam war es ähnlich gewesen: Als Urlauberin gekommen, dann und wann vertreten, und als sie gefragt wurde, ist sie aus Hessen in den hohen Norden gegangen. "Ich habe den Wechsel nie bereut", sagt Althainz zur "Ärzte Zeitung".

Allerdings weiß die Kollegin auch: "Wer hier arbeiten will, muss ein echter Allrounder, ein Universalist sein." Natürlich geht es bei den Konsultationen oft um Sonnenbrände oder eingetretene Muschel.

Talent für die Allgemeinmedizin gefragt

"Aber ich hatte auch schon Patienten zu versorgen, die im dichten Nebel mit den Fahrrädern zusammengestoßen sind und Schädelbrüche davon getragen haben", sagt Althainz.

Oder Patienten nach Ertrinkungsunfällen oder einen Patienten, dem eine Boßelkugel einen Kieferbruch beigebracht hat. Boßeln ist ein ostfriesischer Nationalsport, bei dem - beinhart! - bleigefüllte Hartholzkugeln geschleudert werden.

"Und unerwartete Geburten haben wir hier auch schon gehabt und Herzinfarkte natürlich", so Althainz.

Bei all diesen Fällen heißt es, schnell mit den Patienten auf's Festland - wenn es geht. Aber wenn Ebbe herrscht und kein Boot durchkommt und auch der Hubschrauber wegen schlechten Wetters nicht starten kann, "dann stehen Sie da mit Ihrem Talent", meint Althainz lapidar.

Und genau das ist es, was der Inseljob fordert: Talent für die Allgemeinmedizin. "Wer nach Baltrum kommt, muss das haben und muss diese Arbeit zu schätzen wissen."

Jetzt hat die KV die Stelle bundesweit ausgeschrieben und hofft auf einen neuen Inselarzt. Ein Interessent, der eigentlich auf die Insel kommen wollte, ist vor wenigen Wochen abgesprungen "und jetzt haben wir es natürlich eilig", sagt Erich Penon, Geschäftsführer der KVN-Bezirksstelle Aurich.

KV gibt Umsatzgarantie

Finanziell lohnt sich das Ganze, versichert die Ärztin. Die KV Niedersachsen gleicht den Patientenmangel im Winter aus durch eine Erschwerniszulage von mehr als 8200 Euro pro Arzt und Quartal, sowie durch einen Sicherstellungszuschlag pro Stunde Bereitschaftsdienst.

Jede Stunde Bereitschaftsdienst wird von der KV mit 40 Euro vergütet, unabhängig des im Bereitschaftsdienst erwirtschafteten Honorars. Da für die Inselärztinnen immer Bereitschaft herrscht, sobald sie ihre Praxis schließen, fließt rund um die Uhr Geld.

Allerdings fließen die normalen Honorare im Winter äußerst mager, während sie im Sommer deutlich über dem Schnitt liegen können.

Das Geld stimmt also. Althainz beklagt sich denn auch nicht und Erich Penon sagt: "Der Beruf als Inselarzt ist finanziell attraktiv."

Zudem gibt die KV Niedersachsen dem Neuling auf Baltrum eine zweijährige Umsatzgarantie, die sich am Umsatz aller Niedersächsischen Hausärzte orientiert.

Allerdings muss der oder die Neue die langen Nordsee-Inselwinter mögen und gegen den drohenden Inselkoller gefeit sein.

Althainz selber ist das beste Beispiel dafür, dass es so etwas gibt. "Wenn ich als Ärztin aufhöre, bleibe ich trotzdem auf der Insel."

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