Bahr zu Besuch

KV-Praxis ist Notlösung

In Weida ist die mittlerweile fünfte Eigeneinrichtung der KV Thüringen eröffnet worden. Bundesgesundheitsminister Bahr war bei einem Besuch nicht durchweg begeistert.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr beim Besuch der neuen KV-Praxis mit Hausärztin Kristin Hoyer.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr beim Besuch der neuen KV-Praxis mit Hausärztin Kristin Hoyer.

© Robert Büssow

WEIDA. Eine Thüringer Erfindung findet bundesweit Nachahmer: Die Eigeneinrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung. Aus der Not geboren, gehört das Modell der Praxis mit angestelltem Arzt seit dem Versorgungsstrukturgesetz zum Instrumentarium gegen die drohende Unterversorgung.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) besuchte am Montag in Weida, einem Städtchen mit 7000 Einwohnern südlich von Gera, die inzwischen fünfte "Fahrschulpraxis" im Freistaat.

"Thüringen ist Vorreiter bei passgenauen Lösungen für Versorgungsprobleme in der Fläche", lobte Bahr die KV als Vorbild, die Möglichkeiten der Gesundheitsreform stärker zu nutzen. Dies erfolge noch nicht zufriedenstellend.

Dabei ist seine Haltung zur Eigeneinrichtung durchaus ambivalent. Sie sei allenfalls eine "Übergangslösung" und sollte von den KVen nur genutzt werden, "wenn es anders nicht mehr geht." Warum Ultima ratio? Bahr lakonisch: "Weil wir wollen, dass die Ärzte ihre eigene Praxis betreiben."

Selbstständigkeit gegen MVZ-Anstellung eingetauscht

Der Besuch in der Hausarztpraxis von Kristin Hoyer war ein kleiner Realitätscheck zu den Schattenseiten der Selbstständigkeit.

Mitten in der Innenstadt von Weida, in einem Plattenbau vor 30 Jahren von ihrem Vater aufgebaut, hat Hoyer die Praxis vor drei Jahren übernommen und gemeinsam mit einer Kollegin betrieben.

Als sich die Kollegin nun entschied, die Selbstständigkeit gegen eine MVZ-Anstellung einzutauschen, dachte auch Hoyer ans Aufhören, erzählt sie.

"Ganz allein wollte ich die Praxis nicht weiterführen. Wenn man eine Familie hat, eine kleine Tochter, dann ist das zu viel", sagt die 40-Jährige.

Sie habe die KV gebeten, ihre Praxis als Eigeneinrichtung zu übernehmen und arbeitet nun als Angestellte. Sie erhoffe sich eine Entlastung von Bürokratie.

Außerdem, gesteht sie, habe sie in den letzten Jahren zwei Regressandrohungen bekommen, weil sie angeblich zu viel Physiotherapie verordnet hatte.

"Das haben wir damals gemeinsam durchgestanden, aber allein wollte ich das nicht mehr", sagt Hoyer. Sie habe schon mit einem Wegzug geliebäugelt, sogar ins Ausland. Die Belastung sei einfach enorm.

Bahr lobt: "Flexible Lösung"

Die Praxis hatte zuletzt rund 2000 Patienten im Quartal. Inzwischen vergebe sie schon gar keine Termine mehr und versorge die Patienten so wie sie kommen - und nach Dringlichkeit. Es gebe auch Leute, die nach dem Weggang ihrer Kollegin ohne Hausarzt dastehen.

Mit der Eigeneinrichtung hat die KV eine Praxis in Weida retten können. Dabei ist das Modell eigentlich anders gedacht gewesen: als Fahrschulpraxis für Berufsanfänger.

Die KV kümmert sich um das Personal, zahlt einen festen Lohn, kein finanzielles Risiko - mit Option auf Übernahme der Praxis.

"Das sind flexible Lösungen, die wir brauchen, um jungen Leuten die Angst vor der Selbstständigkeit zu nehmen", lobte Bahr das Konzept. Er sei überzeugt, dass die Zahl der Eigeneinrichtungen weiter zunehme.

Für die KV Thüringen lohne sich der Betrieb finanziell sogar am Ende, sagt Hauptgeschäftsführer Sven Auerswald.

Ein Patentrezept gegen den Ärztemangel sieht KV-Chefin Dr. Annette Rommel - eine Verfechterin der Selbstständigkeit - darin aber ebenfalls nicht.

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