Gutachter stellen fest

Viele Herzen sind zu lange unterwegs

Nach Herztransplantationen dauert es oft zu lange, bis die entnommenen Organe am Ziel ankommen, zeigen Daten von Kliniken. Ein aktueller Bericht bescheinigt den deutschen Krankenhäusern zwar insgesamt eine gute Versorgungsqualität - doch es gibt auch Nachholbedarf.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Transport eines Spenderorgans - bei Herzen dauert das zu lange, kritisiert das AQUA-Institut im Qualitätsreport.

Transport eines Spenderorgans - bei Herzen dauert das zu lange, kritisiert das AQUA-Institut im Qualitätsreport.

© Mathias Ernert

BERLIN. Bei Herztransplantationen im Jahr 2012 soll es zu "unvertretbar langen Transportzeiten für die entnommenen Organe" gekommen sein. Das geht aus dem Qualitätsreport des Aqua-Instituts für die Krankenhäuser in Deutschland hervor.

So seien bei mehr als einem Viertel der insgesamt 323 Herztransplantationen die Organe "deutlich über der maximal akzeptablen Zeitspanne von vier Stunden" ohne Blutversorgung gewesen.

Dies stelle ein zusätzliches Risiko in Bezug auf die Krankenhaussterblichkeit dar, heißt es in dem vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Auftrag gegebenen Report.

Haupttodesursachen nach Herztransplantationen seien Infektionen und Transplantatversagen gewesen.

Keine Organisationsmängel

"Den organisatorischen Abläufen in der Zeit zwischen Organentnahme und Beginn der Transplantation muss nach Auffassung der Bundesfachgruppe besondere Beachtung zukommen", schließen die Autoren des Reports aus ihren Ergebnissen.

Es handele sich nicht um Organisationsmängel, sagten Vertreter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) der "Ärzte Zeitung". Für die berechtigte Kritik an zu langen Ischämiezeiten gebe es mehrere Gründe.

Die DSO sei verpflichtet, die Allokationsregeln einzuhalten. Gleichzeitig erfordere die Ausweitung des Eurotransplant-Gebietes längere Transportzeiten. Zudem liege nicht jede Klinik unmittelbar in der Nähe eines Flughafens.

Für Verzögerungen sorge auch, dass Patienten oft schon ein Kunstherz trügen, was eine komplizierte und zeitaufwändige Entnahme mit sich bringe. Das Thema werde bei der Qualitätssicherungskonferenz des GBA im Oktober angesprochen, hieß es bei der DSO.

Aortenklappenchirurgie in der Kritik

Besonderen Handlungsbedarf haben die Autoren des Qualitätsreports bei der Aortenklappenchirurgie (isoliert-kathetergestützt) ausgemacht. Ihren Erkenntnissen zufolge haben Operateure diese Eingriffe auch in Kliniken vorgenommen, die nicht über eine herzchirurgische Fachabteilung verfügen.

Das Vorgehen dieser 18 Krankenhäuser stehe nicht im Einklang mit wissenschaftlichen Empfehlungen. Im Jahr 2011 hatte es noch acht Indikatoren gegeben, für die die Gutachter besonderen Handlungsbedarf sahen.

Der Report bescheinigt den Krankenhäusern in Deutschland eine gute Versorgungsqualität.

"Die Ergebnisse zeigen, dass in den Krankenhäusern über alle Bereiche hinweg gute Arbeit gemacht wird und sich die Qualität im Verhältnis zum Vorjahr verbessert hat," sagte der Geschäftsführer des Aqua-Instituts, Professor Joachim Szecsenyi.

In einigen Kliniken gebe es allerdings in Sachen Qualität noch Luft nach oben. Namentlich werden die Krankenhäuser in dem Bericht nicht aufgeführt. Die Daten sind aggregiert.

Für den Report wurden vier Millionen Datensätze aus 1658 Kliniken ausgewertet.

Daten zur Nachsorge fehlen

Um die Qualität der Arbeit in den Kliniken künftig für Patienten vergleichbarer zu machen, mahnen die Autoren des Reports zum Beispiel bei Nierentransplantationen die Vollzähligkeit der Qualitätssicherungsdaten an.

Grund ist, dass das vorliegende Datenmaterial offenbar zu wenig Aufschluss über Vorerkrankungen gibt. Zudem mangele es an Daten zur Nachsorge.

Nach Auffassung der zuständigen Fachgruppe sollte die Transplantatnachsorge künftig zwingend gemeinsam von den Kliniken und niedergelassenen Ärzten wahrgenommen werden.

Die Beurteilung der Qualität der Versorgung darf nicht mit der Entlassung an der Krankenhauspforte aufhören," bekräftigte Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).

Die Krankenhäuser hätten in den vergangenen zwei Jahren die Weichen dafür gestellt, Daten zum Verlauf einer Behandlung zusammenzuführen.

Zukünftig sollen Implantationen und Wechseloperationen bei Hüft- und Kniegelenksendoprothesen patientenbezogen über die Zeit beurteilt werden können, gleichgültig in welchem Krankenhaus und zu welchem Zeitpunkt sich der Patient behandeln lässt. Auch für die Herzschrittmacher-Leistungsbereiche ist bereits ein stationäres Follow Up beschlossen worden.

Diese Längsschnittbetrachtungen sollen bis spätestens 2015 in die Praxis umgesetzt werden - sobald die für die Verknüpfung der pseudonymisierten Patientendaten notwendigen datenschutzrechtlichen Prüfungen abgeschlossen seien, kündigte Baum an.

Moribunde bekamen neue Hüftgelenke

Dies wird auch die in der Kritik stehende Hüft- und Kniegelenksprothetik betreffen. Ausweislich des Reports ist die Zahl der Hüftgelenksimplantationen um mehr als 7000 auf rund 152.600 zurückgegangen. Immer noch kommt es jedoch zu unnötigen Operationen.

So bringen die begutachtenden Ärzte in dem Report ihr "Unverständnis" zum Ausdruck, dass fast 900 todkranken und bewegungsunfähigen Menschen neue Hüftgelenke eingesetzt worden sind.

Insgesamt hat sich aber weniger als ein Prozent dieser Operationen als "qualitativ auffällig", also als schlecht gemacht, erwiesen.

Um die Erfolge von Hüft- und Kniegelenksoperationen besser beurteilen zu können, sollen künftig von den Patienten auch Aussagen zur Lebensqualität nach der Operation eingeholt werden, zum Beispiel zur Beweglichkeit und zur Möglichkeit, am sozialen Leben teilzunehmen.

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