Krankenkassen müssen Einsprüche fristgerecht prüfen

Wenn eine Krankenkasse bei der Bearbeitung von Einsprüchen schlampt, hat sie hinterher das Nachsehen. Ein Apotheker sparte auf diese Weise fast 180 000 Euro.

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KASSEL (mwo). Den Einspruch eines Apothekers gegen Schadenersatzforderungen einer Krankenkasse muss die Kasse innerhalb der vertraglichen Frist prüfen. Andernfalls gilt der Einspruch als anerkannt und die Kassen-Forderungen sind komplett vom Tisch, urteilte kürzlich das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Es gab einem Apotheker aus Niedersachsen recht. Weil die Kasse die dort dreimonatige Prüffrist nicht einhielt, spart er 178 600 Euro. Die Frist ist von Land zu Land unterschiedlich.

Ein Versicherter der AOK Niedersachsen hatte ein Arzt-Schreiben des Universitätsklinikums Charité in Berlin gefälscht. Danach war er angeblich HIV-positiv und wurde mit Intron A behandelt. Den Brief zeigte er einem Arzt, der das Medikament ohne eigene Diagnose verordnete. Ein Mittäter fügte handschriftlich noch den Zusatz "4 x" ein. Die Apotheke akzeptierte das Rezept sowie zwölf weitere entsprechend gefälschte Verordnungen und ein Rezept mit unverändert einfacher Menge.

Die beiden Betrüger wurden vom Landgericht Hannover zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Unterdessen forderte die AOK von dem Apotheker 178 600 Euro, die sie für das seltene und teure Medikament gezahlt hatte. Einen Einspruch des Apothekers ließ die Kasse unbeantwortet, stattdessen zog sie gleich vor Gericht.

Das Sozialgericht Hannover sprach ihr das Geld anteilig im Umfang der handschriftlich verfälschten Mengen zu, das Landessozialgericht Celle sogar in voller Höhe. Das BSG hob nun beide Urteile auf: Zwar seien dem Apotheker "gravierende Verstöße gegen gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen" vorzuwerfen, weil er die Mengenänderungen ohne ärztliche Gegenzeichnung akzeptiert habe.

Der Kasse wurde jedoch zum Verhängnis, dass sie den Einspruch nicht in der laut niedersächsischem Arznei-Liefervertrag vorgesehenen Frist von drei Monaten geprüft hatte. "Deshalb galt der jegliche Erstattungspflicht verneinende Einspruch als anerkannt", urteilte das BSG.

Bei seinem Urteil nahm das BSG eine öffentlich-rechtliche Vertragsbeziehung zwischen Kassen und Apotheken an. Es gab damit seine frühere Rechtsprechung auf, für die es sich auf das kaufmännische Vertragsrecht gestützt hatte. Die rechtlichen Grundlagen sind allerdings in beiden Bereichen weitgehend gleich.

Az.: B 3 KR 13/08 R

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