Apotheken-Terminals sind weitgehend unzulässig

Apotheker dürfen Arzneien nicht aus videokontrollierten Automaten abgeben. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Das muss aber nicht das endgültige Aus für das Abgabe-System bedeuten.

Martin WortmannVon Martin Wortmann und Christoph WinnatChristoph Winnat Veröffentlicht:
Im Zentrum des Urteils aus Leipzig: das Abgabe- und Beratungsterminal Visavia des Herstellers Rowa.

Im Zentrum des Urteils aus Leipzig: das Abgabe- und Beratungsterminal Visavia des Herstellers Rowa.

© Rowa

LEIPZIG. Die Abgabe von Arzneimitteln über Automaten ist weitgehend unzulässig (wie online berichtet). Das gilt auch, wenn ein über Videotelefon verbundener Apotheker die Freigabe der Medikamente kontrolliert, urteilte am 24. Juni das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Zulässig ist danach lediglich die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente durch Personal der örtlichen Apotheke selbst.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßte die Leipziger Urteile. "Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass die persönliche Verantwortung des Apothekers beileibe kein Selbstzweck ist, sondern entscheidend für die sichere Arzneimittelversorgung von Patienten", erklärte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf in Berlin.

In den beiden Verfahren war streitig, ob das Arzneimittel-Abgabeterminal "Visavia" der Firma Rowa Automatisierungssysteme in Kelberg (Rheinland-Pfalz) mit dem Apotheker-Leitbild vereinbar ist. Über das Terminal können Medikamente an Kunden abgegeben werden, auch wenn niemand in der Apotheke anwesend ist, etwa nachts. Über ein Bildschirmtelefon ist aber ein Apotheker eines Service-Zentrums mit dem Kunden verbunden, der das Medikament freigibt und zuvor gegebenenfalls das Rezept kontrolliert. In den Vorinstanzen hatte das Oberverwaltungsgericht Koblenz die Automatenabgabe generell für unzulässig gehalten, dagegen wollte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente erlauben.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun zunächst das Verbot der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel über das Terminal. Denn der Apotheker müsse das Rezept unterschreiben und gegebenenfalls auch Änderungen abzeichnen. Per Videotelefon könne er diesen "gesetzlichen Dokumentationspflichten" nicht genügen.

Die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Medikamente erklärten die Leipziger Richter für eingeschränkt zulässig, wenn die Gegenstelle des Terminals mit Personal der jeweiligen Apotheke besetzt ist. Denn laut Gesetz sei der Apotheker "zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet". Damit sei es nicht vereinbar, "Beratung und Information der Kunden auf einen gewerblichen Dienstleister zu übertragen". Die damit verbundene Einschränkung der Berufsfreiheit sei im Interesse des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt.

Apotheker Jens Wiegland, der einer der Kläger ist, sieht die Entscheidung nicht als Misserfolg. Das Gericht habe die Abgabe via Automaten zwar nicht gestattet, die dafür bisher mitgeteilte Begründung des Gerichts lasse aber Spielraum für künftige Modifikationen des Terminals.

Ein Grund der Ablehnung ist die Tatsache, dass mehrere Visavia-Betreiber eine Service GmbH gegründet hatten, um gegenseitige Notdienstvertretungen abzurechnen. Laut Urteil handelt jedoch ein Apotheker, der unter dem Dach einer GmbH für andere als Vertretung den Abgabe-Automaten bedient, als Angestellter einer Kapitalgesellschaft, was dem bestehenden Fremdbesitzverbot widerspricht. Ein zweiter Ablehnungsgrund sind die Dokumentationspflichten des Apothekers. Hierfür gebe es bereits eine technische Lösung mit digitaler Signatur, so Wiegland.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Az.: C 30.09 und C 31.09

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Apotheken-Terminals: Kreative Innovatoren

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