Bestechliche Ärzte? Juristen sind sich uneins

Ärzte können wegen Bestechlichkeit belangt werden. Was für Patienten selbstverständlich und wohl auch für viele Ärzte wenig überraschend klingt, schreckt jetzt Juristen auf. Im Bundestag fordert die SPD unterdessen klarere Gesetze.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Provisionszahlungen von Unternehmen an Ärzte können durchaus strafrechtliche Folgen haben.

Provisionszahlungen von Unternehmen an Ärzte können durchaus strafrechtliche Folgen haben.

© Gina Sanders/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Seit Jahren ist es rechtlich umstritten, ob der Bestechungsparagraf 299 des Strafgesetzbuchs auf Ärzte anwendbar ist. Bestochen werden kann danach nur ein "Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes".

Angestellte sind freiberuflich tätige Vertragsärzte ohne Zweifel nicht. Wiederholt kommen nun aber Gerichte zu der Überzeugung, dass Ärzte, zumindest wenn sie Arzneimittel verordnen, als "Beauftragte" der Krankenkassen tätig werden.

Lösen Ärzte mit Rezepten Kaufverträge aus?

Dabei stützen sich die Gerichte überwiegend auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig. Darin verweisen die Richter auf den Sachleistungsanspruch der gesetzlich Versicherten.

Um diesen durchzusetzen, brauchen die Patienten aber eine ärztliche Verordnung. Mit dem Rezeptblock, so folgert das OLG, löse der Arzt daher einen Kaufvertrag zwischen Kasse und Apotheke aus.

In diesem Sinne seien die Vertragsärzte "berechtigt und verpflichtet, für den Betrieb - hier die Krankenkassen - zu handeln".

Im Braunschweiger Fall ging es um eine Apotheke, die in ihrem Umfeld Ärzten Unterstützung für die Ansiedlung oder den Ausbau ihrer Praxis anbot.

Das OLG sah hierin keine Bestechung, weil allein die Lage der Praxis, nicht aber Reden oder Tun des Arztes die Patienten motiviere, ihre Rezepte in der betreffenden Apotheke einzulösen.

Ähnlich argumentierte das Landgericht (LG) Stade. Es ging ebenfalls von einer Anwendbarkeit des Paragrafen 299 aus, wertete das Geschäftsmodell eines Geräte-Vertriebs aber nicht als Bestechung.

Das Unternehmen bot Ärzten Vergünstigungen für Medizingeräte, wenn sie ihrerseits Patienten bestimmte andere Geräte verordnen.

Im Gegensatz zu Arzneien habe die Verordnung des Arztes bei Hilfsmitteln aber keinen Einfluss darauf, welcher Gerätehersteller zum Zuge kommt, so das LG.

Zu Verurteilungen kam dagegen das LG Ulm in Bezug auf Verordnungen eines Ulmer Generika-Herstellers. Dieser soll früher Ärzten Umsatzprovisionen von acht Prozent des Hersteller-Abgabepreises bezahlt haben.

Das LG verurteilte deshalb zwei Ärzte wegen Bestechlichkeit zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und Geldbußen von jeweils 20.000 Euro.

Fall landet wahrscheinlich beim Bundesgerichtshof

Kürzlich folgte das LG Hamburg. Ebenfalls wegen Umsatzprovisionen des Generika-Anbieters verurteilte es einen Arzt und eine Pharmareferentin zu Geldstrafen.

Der Fall wird mittels Sprungrevision wohl als erster beim Bundesgerichtshof (BGH) landen. Noch vor dem Hamburger Urteil reagierte die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR).

Die Organisation warnt vor "unerwarteten" und "unerwünschten Strafbarkeitsrisiken", auch bei der Abrechnung und der Anstellung von Ärzten.

Die KVen sollen Rechtsverstöße nur dann an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, wenn der Arzt vorsätzlich gehandelt hat. Das harsche Auftreten der Staatsanwaltschaften stigmatisiere Praxen, vor allem auf dem Land, kritisierte DGMR-Präsident Albrecht Wienke.

Unter Hinweis auf das Hamburger Urteil meldete sich nun der Verband deutscher Strafrechtsanwälte (VdSRA) zu Wort und rät "allen Ärzten und Pharmareferenten im Hinblick auf diese Entwicklung, sich in Zweifelsfällen strafrechtlich beraten zu lassen."

Mit einem Antrag im Bundestag forderte die SPD, die Strafgesetze mit Blick auf Korruption und Sozialbetrug bei Ärzten und Kliniken zu schärfen.

Für entsprechende Ermittlungen sollen "besonders qualifizierte Schwerpunkstaatsanwaltschaften" zuständig sein, wie es sie bereits in Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gibt.

Dies entspricht auch einer Forderung der DGMR. Von "Sonderstraftatbeständen für Mediziner" hält Wienke dagegen nichts.

OLG Braunschweig, Az.: Ws 17/10; Landgericht Stade, Az.: 12 KLs Js 18207/09; Amtsgericht Ulm, Az.: 3 Cs 37 Js 9933/07; Landgericht Hamburg, Az.: 618 KLs 10/09

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