Tod nach Überdosis Diamorphin: Arzt ein zweites Mal verurteilt

Ein Behandlungsfehler eines deutschen Vertretungsarztes in Großbritannien führte 2009 zum Tod seines Patienten. Jetzt hat der Arzt nach einem strafrechtlichen Verfahren noch einen Verweis durch die Ärztekammer erhalten und muss eine Geldstrafe von 7000 Euro bezahlen.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Nach dem Amtsgericht Witten hat jetzt auch das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Münster geurteilt.

Nach dem Amtsgericht Witten hat jetzt auch das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Münster geurteilt.

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MÜNSTER. Ein deutscher Arzt aus dem nordrhein-westfälischen Witten hatte im Februar 2008 Patienten bei seiner Vertretungsschicht in der Grafschaft Cambridgeshire Überdosen Schmerzmittel (Diamorphin) gespritzt.

Der Arzt war im Mai 2009 vom Amtsgericht Witten wegen Fahrlässigkeit zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt worden. Nach deutschem Recht kann ein Täter auch nach Wohnort - und nicht nach Tatort - verurteilt werden.

Grobe Behandlungsfehler

Jetzt hat auch das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Münster einen Verweis gegen den Arzt ausgesprochen und ihn zu einer weiteren Geldstrafe in Höhe von 7000 Euro verurteilt. Er habe, so die Richter, in allen drei ihm zur Last gelegten Fällen in eklatanter Weise medizinische Standards missachtet und dabei den Tod eines Patienten fahrlässig verursacht.

Schlechterdings unvertretbar sei es gewesen, so die Richter, dass der Beschuldigte dem Patienten ohne weitere Untersuchungen das ihm nicht im Einzelnen bekannte Morphinpräparat Diamorphin (synthetisches Heroin) injiziert habe. So hatte er einen Patienten mit heftigen Nierenschmerzen behandelt und ihn weder genau untersucht noch eine stationäre Einweisung angeordnet.

Stattdessen, so die Richter, verabreichte er dem Patienten in Unkenntnis der richtigen Dosierung 100 mg Diamorphin und verursachte damit den Tod des Patienten durch Hypoxie als Ergebnis der Morphinüberdosierung. Auch bei den anderen beiden Fällen habe der Beschuldigte bei seiner Vertretungsschicht grobe Behandlungsfehler begangen.

Debatte losgetreten

In Großbritannien war 2009 nach dem Tod des Patienten eine gesundheitspolitische Debatte um die Zukunft der primär- und fachärztlichen Vertretungsdienste innerhalb des staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) entbrannt (wir berichteten).

Entlastend, so das Berufsgericht für Heilberufe, komme dem Beschuldigten zugute, dass er in fast 30 Jahren ärztlicher Tätigkeit bislang berufsrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Der Beschuldigte ist 1942 in Nigeria geboren und besitzt seit 1997 die deutsche Staatsangehörigkeit. Er wurde 1972 zum Dr. med promoviert, 1982 erhielt der die Approbation. Er ist Facharzt für Chirurgie und Allgemeinmedizin. Seit 1986 betreibt er eine eigene vertrags- und privatärztliche Praxis.

Er habe den tödlichen Behandlungsfehler, der eindeutig das Schwergewicht des Berufsvergehens bilde, in vollem Umfang zugegeben und den aufrichtigen Versuch unternommen, sich bei den Hinterbliebenen für sein fahrlässiges Fehlverhalten zu entschuldigen.

Offenkundig überfordert

Die Häufung der Behandlungsfehler deute darauf hin, dass der Beschuldigte mit seinem Wochenenddienst in Großbritannien offenkundig überfordert gewesen sei. Hinzu komme, dass die fahrlässige Überdosierung des in Deutschland als Schmerzmittel nicht zugelassenen Diamorphin dadurch begünstigt worden sei, dass sich in dem dem Beschuldigten zur Verfügung gestellten Arzneikoffer eine Ampulle Diamorphin befunden habe.

Da dem Beschuldigten kein vorsätzliches Fehlverhalten zur Last falle und keine grundsätzliche Fehleinstellung zum ärztlichen Berufsethos erkennbar sei, sieht das Berufsgericht für Heilberufe in dem Ausspruch eines Verweises und der Verhängung einer Geldbuße die schuldangemessene berufsrechtliche Reaktion auf das von dem Beschuldigten begangene Berufsvergehen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Az.: 14 K 791/10.T

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