Wann sind Prozesskosten steuerlich absetzbar?

Nach einem neuen Urteil ist die Verwirrung groß: Welche Prozesskosten können steuerlich geltend gemacht werden? Unstrittig ist nach wie vor für Ärzte: Alle Prozesskosten, die direkt mit der Praxis zu tun haben, können als Betriebskosten angesetzt werden.

Von Dietmar Sedlaczek Veröffentlicht:
Bei der jährlichen Steuererklärung heißt es: Prozesskosten erst einmal angeben.

Bei der jährlichen Steuererklärung heißt es: Prozesskosten erst einmal angeben.

© Kautz15 / fotolia.com

Ärger mit dem Nachbarn, Streit mit der Krankenversicherung: Die Kosten für Zivilprozesse können seit einigen Monaten als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer abgesetzt werden. Das hat der Bundesfinanzhof im Mai 2011 entschieden.

Voraussetzung: Die Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Außerdem darf sie einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (Az.: VI R 42/10).

Doch das Urteil des Bundesfinanzhofs wurde von der Finanzverwaltung kurz vor Weihnachten mit einem Nichtanwendungserlass belegt (Az.: IV C4 - S - 228/070031). Darin ordnet das Bundesministerium für Finanzen an, dass das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sei.

Betroffene Ärzte sollten sich aber nicht davon abschrecken lassen, Kosten von Zivilprozessen als außergewöhnliche Belastungen von der Steuer abzusetzen. Namhafte Steuerrechtler (insbesondere Richter vom Bundesfinanzhof) haben geäußert, dass das Urteil überfällig und auch im Prinzip richtig sei.

Es ist also zu erwarten, dass weitere Urteile zu dieser Rechtsfrage durch den Bundesfinanzhof zu gleichen Ergebnissen führen werden. Man muss also durch weitere Prozesse die Finanzverwaltung "sturmreif" schießen.

Bei Vermögensstraftaten streikt das Finanzgericht

In Abgrenzung zu dieser Rechtsauffassung des BFH hat nun das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass Strafverteidigungskosten weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung von der Steuer abzusetzen sind. In dem entschiedenen Fall waren - soweit das Urteil bisher bekannt geworden ist - die Strafverteidigerkosten nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen entstanden, der Steuerpflichtige hatte nur die Gewinne aus Vermögensstraftaten seinen Unternehmungen zugeführt.

Etwas plastischer könnte man also sagen, der Steuerpflichtige hat privat betrogen, die Ergebnisse der Betrügereien dann aber in seine unternehmerische Tätigkeit eingespeist. Hier, sagt das Finanzgericht Hamburg, sei kein hinreichender Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit zu sehen. Deswegen seien die Aufwendungen für die Strafverteidigungskosten auch nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig (Az.: 2 K 6/11).

Das Urteil könnte zu einem falschen Schluss verleiten

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg könnte nun zu dem Schluss verleiten, dass strafrechtliche Prozesskosten für Ärzte grundsätzlich steuerlich unbeachtlich sind. Dieser Schluss ist aber zu kurz gegriffen.

Prozesskosten werden dann berücksichtigt, wenn sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zu einer beruflichen Tätigkeit, insbesondere zu einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit, stehen. Immer dann, wenn dieser Bezug vorliegt, sind Prozesskosten (also Gerichtskosten, Anwaltskosten, gegebenenfalls die Anwaltskosten der Gegenseite sowie Vollstreckungskosten) entweder Werbungskosten oder Betriebsausgaben.

Von Werbungskosten spricht man, wenn diese Prozesskosten in Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Arbeitnehmer oder bei Vermietungseinkünften angefallen sind. Sind diese Prozesskosten in Zusammenhang mit einer selbstständigen Tätigkeit, wie dem Betrieb einer Arztpraxis, angefallen, spricht man von Betriebsausgaben.

Unstrittig sind Kosten für Zivilprozesse um Honorare

Bei Zivilprozessen sieht das Ganze allerdings einfacher aus: Klagt beispielsweise der Arzt Honorare von Privatpatienten ein und verliert er diesen Prozess, sind die Aufwendungen, die der Arzt selbst für seinen eigenen Anwalt, für die Gerichtskosten und für den Anwalt der Gegenseite zu zahlen hat, selbstverständlich Betriebsausgaben, da sie unmittelbar in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Praxis stehen.

Gleiches gilt für Klagen vor dem Sozialgericht, sofern der Arzt den Honorarbescheid anfechten will oder auch, wenn der Arzt sich gegen einen Arznei- oder Heilmittelregress der Kassenärztlichen Vereinigung verteidigt. Auch diese Prozesskosten stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb seiner Arztpraxis und sind demgemäß Betriebsausgaben und im Rahmen der Ermittlung des Gewinnes der Praxis als Kosten abzugsfähig, genauso wie beispielsweise der Lohn der Mitarbeiter.

Es war auch nie streitig, ob diese Aufwendungen etwa nicht steuerlich zu berücksichtigen sind oder nicht - die Abziehbarkeit ist seit Jahrzehnten gefestigte Rechtslage.

Gleiches gilt auch für Prozesskosten, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit anfallen. Unterläuft dem Arzt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beispielsweise ein vermeintlicher Kunstfehler und muss er sich gegen die Inanspruchnahme durch seinen Patienten, dessen Krankenversicherer oder die Hinterbliebenen zur Wehr setzen, so sind die damit im Zusammenhang stehenden Prozesskosten, sofern der Arzt sie zu tragen hat, selbstverständlich auch Betriebsausgaben.

Sollte es sich dann um den Tatbestand der fahrlässigen oder sogar vorsätzlichen Körperverletzung handeln und der Arzt deswegen auch strafrechtlich belangt werden, sind die Strafverteidigungskosten auch Betriebsausgaben, weil sie im untrennbaren Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit als Arzt stehen.

Abrechnungsstreit hat einen direkten Praxisbezug

Gleiches gilt auch für Kosten der Strafverteidigung, wenn es um Fragen des Abrechnungsbetruges geht.

Auch der Abrechnungsbetrug steht im untrennbaren Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Vertragsarztes, es handelt sich bei den Prozesskosten und bei den Strafverteidigungskosten um Betriebsausgaben, die den Gewinn in der Praxis mindern.

Dietmar Sedlaczek ist Steueranwalt und Fachanwalt für Medizinrecht. Er betreibt eine Kanzlei für Medizin- und Steuerrecht in Berlin und ist Partner des Steuerberaterverbunds Metax.

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