Fatale Verwechslung

Diabetikerin nach Facelifting im Koma

Eine fehlgeschlagene Schönheitsoperation mit fatalen Folgen: Eine Diabetikerin ist nach dem Facelifting ins Koma gefallen. Jetzt beschäftigt sich das Mainzer Landgericht mit dem Fall.

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MAINZ (dpa). Sie wollte sich das Gesicht liften lassen, doch während der Behandlung erlitt eine 52-Jährige einen Herzstillstand, fiel ins Koma und wachte nicht wieder auf. Eine Studentin hatte der Frau im Juni 2011 versehentlich ein Narkosemittel gegeben.

Seit dem 14. August beschäftigt der Fall das Landgericht in Mainz. Bei Prozessbeginn warf der vom Gericht bestellte Experte vor allem dem Klinikleiter grobe Versäumnisse vor. Der Ehemann der Patientin klagt nun auf Schadenersatz von mehr als 800.000 Euro für die Pflege seiner Frau (Az.: 2 O 266/11).

Die 25-jährige Medizinstudentin, die als Nachtwache in der Klinik arbeitete, hatte der Patientin nach eigenen Angaben versehentlich das Narkosemittel Propofol verabreicht.

Dieses hatte sich in einer nicht entsprechend gekennzeichneten Kochsalzinfusion befunden, die der Narkosearzt nach eigenen Worten angefertigt und im OP vergessen hatte.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige nahm vor allem den behandelnden Chirurgen ins Visier, der zugleich Chefarzt und Geschäftsführer des Klinikums ist. In seinem Haus habe ein «offensichtlicher, unübersehbarer, grober Organisationsmangel» geherrscht, sagte der Heilbronner Mediziner Professor Uwe Schulte-Sasse.

Patientin war Diabetikerin

Vor allem wegen der Zuckerkrankheit der Patientin habe es sich bei dem achtstündigen Facelifting mit anschließender Nachsorge um eine komplizierte und potenziell riskante Behandlung gehandelt. Es habe in der Klinik nicht ausreichend Personal gegeben.

Aus Sicht des Experten hätte ein Notfallteam zur Verfügung stehen müssen, das in höchstens vier Minuten bei der Patientin hätte eintreffen können. «Eine Medizinstudentin ist kein innerklinisches Notfallteam», betonte Schulte-Sasse.

Auch der Anästhesist habe fahrlässig gehandelt, als er das Narkosemittel im OP zurückließ, ohne es richtig zu kennzeichnen. Für die weitere Behandlung sei aber der Chirurg verantwortlich gewesen.

Die Medizinstudentin hatte die Patientin nach ihren Worten an die verhängnisvolle Infusion angeschlossen, weil sie glaubte, dass es sich dabei um eine Nährlösung für Diabetiker handelte. Die Patientin soll zuvor über Übelkeit geklagt haben.

Der Sachverständige warf der Studentin vor, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Sie hätte die Übernahme der ärztlichen Aufgabe verweigern müssen, sagte er.

Anwältin: "Fahrlässiges Handeln aller Beteiligten

Die Anwältin des Ehemanns sprach von «katastrophaler Organisation» und fahrlässigem Handeln aller Beteiligten. Die Verteidigung der Ärzte und der Studentin hingegen will erreichen, dass die Klage abgewiesen wird.

Mit der Urteilsverkündung ist frühestens beim nächsten Termin am 6. November zu rechnen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch strafrechtlich gegen die Ärzte und das Klinikpersonal.

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