Arztfehler?
Kieler Gericht muss über Millionenklage entscheiden
Weil ein Kinderarzt bei einem kleinen Jungen einen Magen-Darm-Infekt statt einer Hirnhautentzündung diagnostizierte, mussten dem Kind beide Beine und etliche Fingerglieder amputiert werden. Ab Freitag muss ein Kieler Gericht über Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe entscheiden.
Veröffentlicht:KIEL. Der kleine Jeremy war gerade zwei Jahre alt, als seine Eltern ihn im März 2007 in eine Notfallpraxis brachten.
Der diensthabende Kinderarzt diagnostizierte statt einer bakteriellen Hirnhautentzündung eine Magen-Darm-Grippe. Er schickte den kleinen Patienten aus Neumünster (Schleswig-Holstein) und dessen Eltern mit einem Rezept nach Hause.
Die Folgen waren fatal: Der Junge fiel ins Koma, zwei Monate kämpften Ärzte der Uni-Klinik Lübeck um sein Leben. Beine und Fingerglieder an beiden Händen des Kindes mussten wegen einer Blutvergiftung amputiert werden.
Nun kämpfen Jeremys Angehörige um Schadenersatz in Höhe von mindestens einer Million Euro. Am Freitag beschäftigt sich das Kieler Landgericht mit dem Fall.
Arzt bestreitet Kunstfehler
Mehrere Sachverständigen-Gutachten bescheinigten, dass dem niedergelassenen Kinderarzt aus Neumünster ein grober Behandlungsfehler unterlief, der ihm nach den Regeln der ärztlichen Kunst nicht hätte unterlaufen dürfen.
Der Pädiater hätte demnach bei den Beschwerden des kleinen Notfallpatienten eine Blutuntersuchung und die sofortige Einweisung in eine Klinik veranlassen müssen.
Für die Folgen der dramatischen Fehldiagnose müsste die Haftpflichtversicherung des Kinderarztes einstehen - eigentlich. Doch der Arzt und seine Versicherung bestreiten seit Jahren einen Kunstfehler.
Eine gütliche außergerichtliche Einigung, die der auf Arzthaftung spezialisierte Rechtsanwalt Frank Albert Sievers anstrebte, lehnen sie ab.
Der Untersuchung des kleinen Jungen sei nach geltenden medizinischen Standards vorgenommen worden, argumentieren Arzt und Versicherung.
Über den Fall muss jetzt das Kieler Landgericht entscheiden. Am Freitag ist ein Verkündungstermin. Ob es schon zu einer abschließenden Entscheidung des Gerichts mit einer festgesetzten Schadenshöhe kommt, ist offen. (dpa)