Urteil

Behindert nach Impfung? Richter sehen dafür keine Belege

Das Landessozialgericht in Schleswig hat die Klage von Eltern abgewiesen, die wegen Impfschaden ihres Kindes einen staatlichen Versorgungsanspruch erreichen wollten.

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Sorgte eine Impfung für die geistige Behinderung? Die Richter meinen nein.

Sorgte eine Impfung für die geistige Behinderung? Die Richter meinen nein.

© Dmitry Naumov / fotolia.com

SCHLESWIG (mwo/fle). Wird bei Kleinkindern kurz nach der Teilnahme an einer Impfstudie eine geistige Behinderung festgestellt, reicht dies allein noch nicht als Nachweis für einen Impfschaden aus.

Mit einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) daher die Klage eines Mädchens auf staatliche Versorgung abgewiesen.

Das aus Husum stammende Mädchen wurde kurz nach seiner Geburt im Jahr 2002 mehrfach geimpft. Dabei erhielt sie einen öffentlich empfohlenen Sechsfach-Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae b (Hib), Kinderlähmung und Hepatitis B.

Auf Anregung des Hausarztes nahm das Kind zusätzlich auch an einer Studie des Unternehmens GlaxoSmithKline für einen Impfstoff gegen Meningokokken teil. Zum damaligen Zeitpunkt war diese Impfung auf gefährdete Personen wie Laborpersonal beschränkt. Inzwischen wird sie ab dem 12. Lebensmonat empfohlen.

Eltern: Eine öffentliche Empfehlung

Kurz nach der Impfung wurden bei dem Kind plötzlich deutliche Entwicklungsverzögerungen festgestellt. Es folgten dramatische gesundheitliche Einschränkungen.

Das Mädchen ist mittlerweile geistig behindert; es kann nicht sprechen, kann sich nicht bewegen und leidet unter epileptischen Anfällen.

Beim Landesamt für soziale Dienste in Schleswig-Holstein beantragten die Eltern eine staatliche Impfschadenversorgung. Die Behörde lehnte dies ab.

Anspruch auf eine Schwerbeschädigtenversorgung bestehe nur, wenn die Gesundheitsschäden mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" auf einen zugelassenen Impfstoff zurückzuführen sind.

Die Eltern argumentierten, der im Rahmen der Impfstudie gespritzte Impfstoff sei zwar nicht zugelassen gewesen. Die Elterninformation zu der Studie habe jedoch den Eindruck erweckt, dass es sich um eine öffentliche Empfehlung gehandelt habe.

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied am 23. April 2009 in dem Verfahren, dass bei einem solchen sogenannten Rechtsanschein tatsächlich eine Impfschadenversorgung möglich ist (Az.: B 9 VJ 1/08 R).

Behörden und Ethikkommissionen der Ärztekammern müssten bei Impfstudien prüfen, ob die Patienteninformation ausreichend über mögliche Risiken aufklärt.

"Wahrscheinlich" genetischer Defekt

Das LSG solle daher untersuchen, ob die Elterninformation im konkreten Fall den Eindruck einer öffentlichen Empfehlung erweckt habe. Auch sei nicht geklärt, ob im Streitfall die Gesundheitsschäden tatsächlich auf die Impfung zurückzuführen sind.

Das LSG stellte nun fest, dass die Meningokokken-Impfung deutlich als Impfstudie außerhalb der öffentlichen Empfehlung gekennzeichnet war. Es sei auch nicht wahrscheinlich, dass die geistige Behinderung des Mädchens auf die Impfungen zurückzuführen ist.

Typische Auffälligkeiten für einen Impfschaden wie Fieber, Apathie oder Erbrechen hätten nicht vorgelegen. Der kurze zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsschaden reiche als Nachweis für einen Impfschaden nicht aus.

Laut Gutachten gingen die Gesundheitsschäden "wahrscheinlich" auf einen genetischen Defekt zurück. Ein Anspruch auf eine Impfschadenversorgung bestehe daher nicht, urteilten die Richter.

Az.: L 2 VI 35/09

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