Kommentar zum BGH-Urteil
Hilfe für Missbrauchsopfer
Missbrauchsopfer haben keine "Kenntnis" von den Taten, solange sie diese verdrängt haben. Selbstredend, könnte man denken, das ist die Bedeutung einer Verdrängung.
Und doch: Dies auch rechtlich festzuzurren, war dem Bundesgerichtshof (BGH) einen Leitsatz, aus Sicht der Richter also ein Grundsatzurteil wert, das wohl auch in der katholischen Kirche aufmerksam gelesen werden wird.
Darin erkennen die obersten Richter an, dass es Wahrheiten gibt, die rein subjektiv und doch unumstößlich sind.
Erst ab dem Tag der Erinnerung beginnt daher die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche der Opfer gegen die Täter, urteilte der Bundesgerichtshof.
Dabei geht es nicht um die strafrechtliche Verjährung, sondern um eine höchst persönliche Entscheidung: Will ich dem Täter noch einmal gegenübertreten, um ein Stück private Genugtuung zu erstreiten?
Der BGH hat den Opfern die Chance gegeben, diese Entscheidung selbst zu treffen. Drei Jahre haben sie dafür Zeit. Ärzte und insbesondere Therapeuten können helfen, den individuell richtigen Weg zu finden.
Spätestens, wenn ein Opfer sich für eine Klage entscheidet, ist es auf Ärzte angewiesen: auf ein Gutachten, das die vorausgehende retrograde Amnesie bescheinigt.
Lesen Sie dazu auch: Missbrauch: Amnesie verlängert Verjährungsfrist