Ex-Notdienst-Chef

Freiheitsstrafe für unterschlagene Praxisgebühr

Fast 130.000 Euro Praxisgebühr soll er veruntreut haben: Jetzt ist der Ex-Chef der Göttinger Notdienstambulanz verurteilt worden. Kurios: Im Hauptberuf war er Lkw-Fahrer.

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Zehn Euro: 12.900 mal soll der ehemalige Chef der Göttinger Notdienstambulanz sie nicht auf das Vereinskonto überwiesen haben.

Zehn Euro: 12.900 mal soll der ehemalige Chef der Göttinger Notdienstambulanz sie nicht auf das Vereinskonto überwiesen haben.

© Patrick Pleul / dpa

GÖTTINGEN. Das Amtsgericht Göttingen hat am Dienstag den langjährigen Geschäftsführer des Vereins Notdienstambulanz Göttinger Ärzte wegen gewerbsmäßiger Untreue zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der 55-Jährige hatte gestanden, über mehrere Jahre hinweg einen Großteil der seit 2004 von den Patienten erhobenen Praxisgebühr auf sein Privatkonto eingezahlt zu haben, statt diese Einnahmen auf dem Konto des Vereins zu verbuchen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er zwischen Januar 2008 und Herbst 2010 insgesamt 129.000 Euro für sich behalten hatte. Weitere Verdachtsfälle aus früheren Jahren waren nicht angeklagt, weil diese Taten bereits verjährt sind.

Das Gericht blieb mit seinem Urteil unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert hatte. Die Verteidigung hatte dagegen auf Freispruch plädiert, weil es innerhalb des Vereins ein Einverständnis über den Umgang mit den in bar eingenommenen Praxisgebühren gegeben habe.

Jeder habe gewusst, dass das Geld bei seinem Mandanten und nicht auf dem Vereinskonto landete. Der Richter sah dies anders. Es habe sich nicht feststellen lassen, dass die Vereinsmitglieder von der pflichtwidrigen Verwendung der Einnahmen wussten.

Richter beklagt "mangelnde berufliche Qualifikation"

Alle Verfahrensbeteiligten zeigten sich fassungslos darüber, dass jahrelang offenbar keinerlei Kontrollen stattgefunden hatten. Die finanziellen Unregelmäßigkeiten waren erst ans Licht gekommen, nachdem es im Jahr 2010 einen Wechsel im Vorstand gegeben hatte.

Dem neuen Vorsitzenden fiel auf, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen den Abrechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) und den Angaben in der Bilanz gab. Daraufhin wurde dem Geschäftsführer gekündigt und Strafanzeige erstattet.

In der Folge musste der Verein dann Insolvenz anmelden, weil die KVN erhebliche Rückforderungen gestellt hatte, die man nicht erfüllen konnte.

Richter Detlef Höfer zeigte sich erschüttert darüber, dass offenbar niemandem die mangelnde berufliche Qualifikation des Angeklagten aufgefallen war. Der 55-Jährige übte den Geschäftsführerposten nur als Teilzeitjob aus.

Dass er hauptberuflich als Lkw-Fahrer tätig war, kam erst in der Verhandlung heraus. Unklar blieb, was er mit dem veruntreuten Geld gemacht hat. Der Angeklagte selbst gab dazu nur an, dass er das Geld wohl für sich "verbraucht" habe. Dies nahm ihm der Richter allerdings nicht ab. (pid)

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