Skandal von Göttingen

Schwere Vorwürfe gegen zweiten Arzt

Da waren's zwei: Im Prozess um manipulierte Wartelisten für Leberspenden rückt jetzt ein zweiter Arzt in den Fokus der Justiz. Für Lebern soll Geld geflossen sein. Und die Manipulationen seien ein offenes Geheimnis gewesen.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Uniklinik Göttingen: Auch langjährige Chef der Gastroenterologie wird nun schwer beschuldigt.

Uniklinik Göttingen: Auch langjährige Chef der Gastroenterologie wird nun schwer beschuldigt.

© Stefan Rampfel / dpa

GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum hat am Donnerstag eine Ärztin den langjährigen Direktor der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie schwer belastet.

Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass in der Abteilung Befunde manipuliert worden seien, um Patienten schneller zu einer Spenderleber zu verhelfen, sagte die als Zeugin geladene Medizinerin bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht Göttingen. Außerdem hätten ihr Patienten erzählt, dass der frühere Klinikdirektor Geld erhalten habe, um eine Lebertransplantation zu ermöglichen.

Die Ärztin, die ebenso wie ihr früherer Chef aus Italien stammt, hatte während ihrer Tätigkeit am Göttinger Uni-Klinikum wiederholt auch für Landsleute gedolmetscht, die sich dort wegen Lebererkrankungen behandeln ließen.

Ein italienisches Ehepaar habe ein Ferienhaus verkauft, um eine Lebertransplantation in Göttingen bezahlen zu können, sagte die Medizinerin. Das Ehepaar habe dann in der Nähe von Göttingen für ein Jahr ein Haus gemietet.

Den Erzählungen der Eheleute zufolge habe der Klinikdirektor ihnen versichert, dass sie nicht länger auf eine Transplantation warten müssten. Tatsächlich habe der an einem Tumor erkrankte Mann nach ein paar Monaten eine neue Leber bekommen.

Ermittlungen laufen noch

In dem derzeit laufenden Prozess muss sich allerdings nicht ihr damaliger Chef, sondern der frühere Leiter der Transplantationschirurgie verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat diesen wegen versuchten Totschlages in elf Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt.

Gegen den früheren Leiter der Gastroenterologie und Endokrinologie läuft ebenfalls ein Verfahren, hier sind die Ermittlungen jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Göttinger Universitätsmedizin hat ihm wegen der schweren Vorwürfe die Führung der Dienstgeschäfte untersagt.

Die Ärztin war rund ein Jahrzehnt lang in seiner Abteilung tätig gewesen. Dort habe es wiederholt Hinweise auf Manipulationen gegeben.

Einmal habe eine junge Kollegin sie gefragt, ob sie nicht einem Patienten mit schlechten Leberwerten Blut abnehmen könne, um diese dann für einen anderen Patienten zu verwenden. Als sie fragte, wie sie auf ein solches Ansinnen komme, sei die Kollegin ausgewichen.

Außerdem hätten mehrere Kollegen davon berichtet, dass sie zum Fälschen von Blutwerten aufgefordert worden seien. Einmal habe ein leitender Arzt in einer Besprechung vor vielen Zeugen dazu aufgefordert, einen Befund zu ändern, "weil wir wissen, dass der Patient schnell eine Leber bekommen soll."

Sie sei erstaunt gewesen, dass in ihrer Abteilung offen über das Fälschen von medizinischen Dokumenten gesprochen wurde. Sie selbst habe so etwas nie getan.

Nach Angaben der Ärztin hatte sie sich häufiger mit dem Chefarzt gestritten. Als sie sich einmal weigerte, eine Untersuchung vorzunehmen, weil ihr diese zu riskant erschien, habe ihr Chef ihr eine Faust unter das Gesicht gehalten und sie vor zahlreichen Zeugen bedroht. Sie habe die Untersuchung dann unter Zittern vorgenommen.

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