Transplantations-Prozess

Trotz fehlender Alkoholabstinenz Leber transplantiert?

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GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum haben am Donnerstag mehrere Patienten des angeklagten Chirurgen als Zeugen ausgesagt.

Eine 37-jährige Frau aus Brakel, die im Mai 2010 eine neue Leber bekommen hatte, machte vor dem Landgericht Göttingen widersprüchliche Aussagen zu ihrem Alkoholkonsum.

Sie behauptete zunächst, seit etwa einem Jahr vor der Transplantation keinen Alkohol mehr angerührt zu haben. Erst auf Nachfragen korrigierte sie diese Angabe.

Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hatte die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) damals eine Lebertransplantation abgelehnt, weil sie noch wenige Wochen vorher regelmäßig Alkohol getrunken habe.

Die Anklagebehörde wirft dem Göttinger Chirurgen vor, sich über die Richtlinien der Bundesärztekammer hinweggesetzt und der 37-Jährigen eine Leber eingepflanzt zu haben, obwohl sie noch nicht die vorgeschriebenen sechs Monate "trocken" gewesen war.

Froh über zweite Chance

Die 37-Jährige hatte nach eigenen Angaben jahrelang täglich bis zu einer Flasche Wodka oder Korn getrunken, eine Leberzirrhose war die Folge.

Erst nachdem sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert hatte, habe sie für ein halbes Jahr mit dem Trinken aufgehört, jedoch im Sommer 2009 wieder damit angefangen.

Als sie Anfang 2010 wegen ihrer schweren Lebererkrankung in eine Klinik in Oldenburg kam, habe man ihr gesagt, dass man nichts mehr für sie tun könne und sie nach Hause geschickt.

Bei einem weiteren Klinikaufenthalt in Brakel hätten sich die dortigen Ärzte erkundigt, ob sie auf die Warteliste für ein Spenderorgan kommen könnte.

Bei der MHH habe man eine Transplantation abgelehnt, "wegen Alkohol". Das Göttinger Uni-Klinikum habe dagegen einer Transplantation zugestimmt, weil sie jung sei und zwei Kinder habe.

Eine Krankenpflegerin des Göttinger Uni-Klinikums soll gegenüber der Polizei ausgesagt haben, dass die 37-Jährige bei ihrer Aufnahme in Göttingen eine Flasche Wodka dabei gehabt habe.

"So ein Quatsch, das ist eine Lüge", sagte die Zeugin. Sie sei froh darüber, eine zweite Chance bekommen zu haben. Ihre Dankbarkeit drückte sie auch dadurch aus, dass sie nach ihrer Zeugenaussage dem Angeklagten die Hand gab.

Zwei Wochen vorher hatte ein Gastwirt aus Bad Sachsa, der ebenfalls an einer alkoholbedingten Leberzirrhose litt, im Göttinger Uni-Klinikum eine neue Leber bekommen. Laut Anklage soll er fälschlicherweise gegenüber der Stiftung Eurotransplant als Dialyse-Patient gemeldet worden sein, so dass er zu Unrecht auf einen vorderen Platz auf der Warteliste für ein Spenderorgan gekommen sei. Der Angeklagte habe ihm das Leben gerettet, sagte der Patient.

Ein Bühnentechniker aus Clausthal-Zellerfeld hatte nur 18 Stunden nach seiner Anmeldung für die Warteliste im Göttinger Klinikum eine neue Leber bekommen. Dass es so schnell ging, darüber habe er sich sehr gewundert, sagte er. (pid)

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