Kein neues Herz

Ein Vergleich - und die Richtlinien-Frage

Ohne Deutsch kein neues Herz: die Sprachbarriere wurde einem Iraker zum Verhängnis, denn seine Ärzte lehnten einen Transplantation ab - wegen mangelnder Compliance. Jetzt ist der Streit darum vor Gericht mit einem Vergleich geendet.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
HDZ: 5000 Euro Vergleich für einen Herzpatienten.

HDZ: 5000 Euro Vergleich für einen Herzpatienten.

© Friso Gentsch / dpa

KÖLN. In der Auseinandersetzung über eine verweigerte Herztransplantation wegen mangelnder Sprachkenntnisse haben sich die Parteien auf einen Vergleich verständigt. Das Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen (HDZ) zahlt einem 62-jährigen Iraker 5000 Euro.

Der Mann hatte die Klinik auf Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 10.000 Euro verklagt, weil die Ärzte ihm eine Herztransplantation verweigert hatten.

Der Grund: Sie hielten die Deutschkenntnisse des Flüchtlings nicht für ausreichend, um die Informationen zur Operation sowie der Vor- und insbesondere der Nachbehandlung wirklich verstehen zu können.

Die Klinik berief sich dabei auf die Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) zur Organspende. Der Patient steht inzwischen auf der Warteliste des Universitätsklinikums Münster.

Bei der Verhandlung vor dem Landgericht Bielefeld hatte der Richter deutlich gemacht, dass das Verfahren wegen der vielen offenen grundsätzlichen Fragen wahrscheinlich langwierig werden würde. Mit einem Urteil in der ersten Instanz wäre die Auseinandersetzung sicher nicht beendet gewesen.

Einem so langen Verfahren mit unklarem Ausgang wollte sich der Patient offensichtlich nicht aussetzen.

"Schlussstrich im Interesse aller Beteiligten"

Die Angemessenheit und Wirksamkeit der Richtlinie sei bei der Verhandlung vor dem Landgericht Bielefeld kein Thema gewesen, berichtet Professor Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am HDZ. Er begrüßte den Vergleich.

"Es ist sicherlich im Interesse aller Beteiligten, dass ein Schlussstrich gezogen wird", sagte er der "Ärzte Zeitung". Es wäre für das sensible Thema der Organspende nicht gut gewesen, wenn das Thema weiter in der Presse geblieben wäre.

Der zum Teil erweckte Eindruck, Ausländer würden als Organ-Empfänger nicht akzeptiert, sei fatal und falsch, betonte Gummert. "Wir haben den Patienten nach bestem Wissen und Gewissen behandelt und sind zu dem Schluss gekommen, dass eine Herztransplantation nicht möglich war."

Nach Einschätzung von BÄK-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery zeigt das Verfahren, dass der Compliance-Begriff in der Transplantationsmedizin weiter ausdifferenziert werden muss. Die Ständige Kommission Organtransplantation der BÄK habe bereits vor geraumer Zeit einen Beratungsprozess begonnen, um die erforderlichen Behandlungsabsprachen mit dem Patienten noch klarer zu beschreiben, erklärt Montgomery in einer Mitteilung.

"Die grundsätzliche Annahme, dass ein Verständnis des Patienten für die nach der Transplantation zu erfolgende, zum Teil komplexe Nachbehandlung notwendig für einen Behandlungserfolg ist, ist und bleibt dabei wesentliche Voraussetzung."

Windhorst: Kriterien für die Wartelisten sind unabdingbar

Bei der Arbeit an der Richtlinie gehe es darum, die Kriterien für die Aufnahme auf die Warteliste qualitätsgesichert und nach außen so transparent wie möglich zu gestalten, sagte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Theodor Windhorst. Windhorst ist Mitglied der Ständigen Kommission Organtransplantation und der Arbeitsgemeinschaft zur Qualitätssicherung nach dem Transplantationsgesetz.

"Nach den derzeitigen gesetzlichen Voraussetzungen hat die Bundesärztekammer die Kompetenz, Kriterien für die Wartelisten zu erstellen", wies er Kritik an der Rolle der BÄK zurück. Angesichts des Organmangels seien solche Kriterien unabdingbar, die Compliance spiele eine wichtige Rolle.

Richtlinien seien stärker bindend als Leitlinien, die Ärzte müssten sich aber nicht sklavisch an sie halten, betonte Windhorst. Vielmehr seien die Ärzte gefordert, jeden Fall individuell zu prüfen. Er verweist auf die Präambel zu den Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung.

"Andererseits kann die Medizin nie nach starren Regeln verfahren; vielmehr bleibt sie dem einzelnen Kranken verpflichtet", heißt es dort. "Man muss die Entscheidung dem einzelnen Zentrum überlassen können", sagt Windhorst.

Genau das bezweifelt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Tatsache, dass die HDZ-Ärzte eine Transplantation ablehnten, während ihre Kollegen in Münster sie für möglich halten, ist für Brysch ein Ausdruck von Willkür. "Die Zuteilung von Lebens-Chancen darf nicht von Gnade oder Ungnade der Transplantationsärzte abhängen."

Vergleich vor dem Landgericht Bielefeld, Az.: 4 O 106/11

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