Transplantationsskandal

Schwere Vorwürfe gegen früheren Chefarzt

Nach dem ehemaligen Leiter der Transplantationschirurgie gerät nun auch der Ex-Chef der Gastroenterologie am Uniklinikum Göttingen unter Verdacht. Er soll Ärzte aufgefordert haben, Falschangaben zu Krankheitssymptomen von Patienten zu machen.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Neue vermeintliche Vergehen im Universitätsklinikum Göttingen kommen ans Licht.

Neue vermeintliche Vergehen im Universitätsklinikum Göttingen kommen ans Licht.

© Stefan Rampfel / dpa

GÖTTINGEN. Im Prozess um den Göttinger Transplantationsskandal hat am Montag ein Arzt schwere Vorwürfe gegen einen langjährigen Chefarzt des Universitätsklinikums erhoben.

Der Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie, dem seit Mitte 2012 das Führen der Dienstgeschäfte untersagt ist, soll Mitarbeiter zu Falschangaben in Arztbriefen aufgefordert haben.

Nach Angaben des Zeugen sollten die Assistenzärzte Krankheitssymptome erfinden, damit die betreffenden Patienten nicht ambulant, sondern stationär behandelt werden konnten.

Er selbst habe einmal wahrheitswidrig vermerken sollen, dass eine Patientin akute Bauchschmerzen habe. Er habe sich strikt geweigert und deshalb großen Ärger bekommen. Später habe man ihm nahe gelegt, die Abteilung zu verlassen.

Der Chefarzt, der im Klinikum auch eine Station für Privatpatienten unterhielt, hatte eng mit dem früheren Leiter der Transplantationschirurgie zusammengearbeitet.

Dieser muss sich in dem seit August laufenden Prozess wegen versuchten Totschlages in elf Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mediziner unter anderem vor, durch die Meldung manipulierter medizinischer Daten an die Stiftung Eurotransplant Patienten als kränker dargestellt zu haben, als sie tatsächlich waren, damit sie schneller eine Spenderleber zugeteilt bekamen.

Bewunderung für Transplantationschirurg

Der Zeuge hatte ein halbes Jahr lang als Assistenzarzt in der Abteilung Gastroenterologie gearbeitet. Ähnlich wie zuvor schon mehrere andere Zeugen, die ebenfalls unter dem Chefarzt gelitten hatten, erhob auch er schwere Vorwürfe gegen den Leberspezialisten. Diesem sei "der Profit wichtiger als der Patient".

Die Abteilung sei von einem "totalen Opportunismus" geprägt gewesen. "Man sollte keine Fragen stellen und nicht diskutieren", sagte der Arzt. Einen Ausdruck habe er besonders häufig zu hören bekommen: "Klappe halten".

Dem angeklagten Chirurgen zollte der Zeuge dagegen große Bewunderung. Der Arzt hatte am Ende seiner Ausbildung im so genannten Praktischen Jahr eine Zeit lang in der Transplantationschirurgie gearbeitet und war mehrfach bei Operationen dabei gewesen.

Der Angeklagte sei ein brillanter Operateur, auch seinen Umgangsstil im OP habe er als "sehr souverän und sehr nobel" empfunden.

Heftige Kritik übte der Zeuge an den Strukturen im Gesundheitswesen. Vor allem der Konkurrenzkampf zwischen den Transplantationszentren habe die Fehlentwicklungen begünstigt.

In Göttingen habe der Konkurrenzkampf mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) offenbar dazu geführt, dass man es für sinnvoll gehalten habe, "wie auch immer die Transplantationszahlen nach oben zu treiben".

Man dürfe nicht nur Einzelne für die Fehlentwicklungen in der Transplantationsmedizin verantwortlich machen, die strukturellen Missstände seien ein deutschlandweites Problem.

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