Transplantations-Prozess

Richter halten an Gutachter fest

Im Prozess um den Transplantationsskandal an der Uniklinik Göttingen wollte die Verteidigung einen Gutachter loswerden. Dieser Vorstoß ist jetzt gescheitert.

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GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum hat das Landgericht Göttingen jetzt eine Entscheidung im Gutachter-Streit getroffen.

Die Kammer lehnte einen Antrag der Verteidigung auf Entpflichtung des Sachverständigen Professor Wolf Bechstein ab. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit, sagte der Vorsitzende Richter Ralf Günther am Montag.

Das Gericht hatte den Leiter der Klinik für Allgemein- und Gefäßchirurgie der Universität Frankfurt damit beauftragt, die insgesamt 14 angeklagten Fälle unter anderem daraufhin zu überprüfen, ob bei den betroffenen Patienten eine Lebertransplantation medizinisch angezeigt war.

Die Verteidigung hatte ihren Entpflichtungsantrag unter anderem damit begründet, dass Bechstein Zeugen einseitig befragt, "unhaltbare Thesen" vertreten und Einzelmeinungen als medizinische Standardposition dargestellt habe.

Außerdem sei er zu stark mit den problematischen Strukturen der Transplantationsmedizin verflochten. Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass der Gutachter wegen seines Sachverständigenauftrages derzeit einige dieser Funktionen ruhen lasse.

Bechstein stellte am Montag drei weitere Gutachten zu den sogenannten Manipulationsfällen vor. Die Staatsanwaltschaft wirft dem angeklagten früheren Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie vor, durch die Meldung manipulierter medizinischer Daten die betroffenen Patienten kränker dargestellt zu haben, als sie tatsächlich waren, damit sie schneller eine Spenderleber zugeteilt bekamen.

Gutachter: Keine medizinische Indikation für neue Leber

Ein Fall betraf einen russischen Patienten, der im Mai 2011 in Göttingen eine Leber transplantiert bekommen hatte. Der 46-Jährige war zunächst mit einer akuten Alkoholvergiftung in ein russisches Krankenhaus gekommen und dann nach Deutschland ausgeflogen worden.

Nach Ansicht Bechsteins bestand keine medizinische Indikation für eine Transplantation, da der russische Patient die vorgeschriebene sechsmonatige Alkohol-Karenzzeit nicht eingehalten hatte. Auf einem Anmeldeformular für die zentrale Organvergabestelle Eurotransplant sei zudem eine unzutreffende Diagnose angegeben worden.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob die Transplantation unter somatischen Gesichtspunkten vertretbar gewesen sei, sagte Bechstein: "Ja."

Zwei Monate vorher hatte ein anderer Patient eine neue Leber erhalten, der noch wenige Wochen zuvor täglich eine Flasche Wodka getrunken hatte. Auch hier war nach Ansicht des Gutachters eine Transplantation medizinisch nicht angezeigt.

Der Patient war als dialysepflichtig gemeldet worden. In den Krankenakten finde sich jedoch kein Hinweis darauf, sagte Bechstein.

Auch der dritte Patient war offenbar nicht dialysepflichtig gewesen. Nach Ansicht des Gutachters lag hier jedoch eindeutig eine medizinische Indikation für eine Transplantation vor. (pid)

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