Urteil des BGH

Arztbewertung darf anonym bleiben

Ein Arzt, der wissen will, wer online Unsinn über ihn verbreitet, hat Pech: Ein Portalbetreiber muss keine Nutzerdaten herausrücken, hat der Bundesgerichtshof jetzt entschieden. Ein Rechtsanwalt verrät, wie Betroffene den Schleier der Anonymität doch noch lüften können.

Von Nico Gottwald Veröffentlicht:

KARLSRUHE. Ein Arzt, der sich gegen eine unwahre Bewertung auf einem Ärztebewertungsportal zur Wehr setzen will, hat gegen den Betreiber des Bewertungsportals keinen Anspruch auf Herausgabe der Anmeldedaten des Nutzers, der die Bewertung verfasst hat. So hat am Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Geklagt hatte ein Arzt aus Schwäbisch Gmünd, der sich durch unwahre Behauptungen auf dem Ärztebewertungsportal www.sanego.de in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt sah.

Unter anderem wurde über ihn die unwahre Behauptung aufgestellt, er habe Patientenakten in den Behandlungsräumen in Wäschekörben gelagert oder die Patienten hätten drei Stunden im Wartezimmer ausharren müssen.

Der betroffene Arzt klagte gegen Sanego auf Unterlassung der Verbreitung dieser Bewertungen sowie auf Herausgabe der Anmeldedaten des Bewertenden, um direkt gegen diesen vorgehen zu können.

Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch?

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Stuttgart gaben dem Arzt Recht und verurteilten die als haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft firmierende Sanego dazu, es zu unterlassen, die beanstandeten Behauptungen zu verbreiten.

Außerdem müsse Sanego dem Arzt die Anmeldedaten des Verfassers der Bewertung mitteilen. Paragraf 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG), wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Internetdiensten anonym zu ermöglichen habe, schließe einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus.

Der Bundesgerichtshof jedoch wies nun den Auskunftsanspruch des Arztes zurück und bestätigte nur dessen Unterlassungsanspruch. Laut einer ersten Mitteilung des Gerichts stützen die Richter ihre Entscheidung auf Paragraf 12 Absatz 2 Telemediengesetz.

Demnach ist der Betreiber eines Internetportals ohne eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht befugt, die Anmeldedaten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Es ist zwar bedauerlich, dass unter dem Deckmantel der Anonymität des Internets weiterhin unwahre Behauptungen aufgestellt werden dürfen. In rechtlicher Hinsicht ist das BGH-Urteil aber nachvollziehbar.

Paragraf 14 Absatz 2 TMG regelt, in welchen Fällen ein Diensteanbieter berechtigt ist, die Anmeldedaten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung herauszugeben: Dazu zählen unter anderem Zwecke der Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr durch die Polizei. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Nutzer hat der Gesetzgeber dagegen nicht vorgesehen.

Betreiber muss Tatsachen prüfen

Dennoch sind Ärzte anonym veröffentlichten Bewertungen nicht schutzlos ausgeliefert. Meinungsäußerungen, die unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen, muss der Arzt akzeptieren, unwahre Tatsachenbehauptungen jedoch nicht. Insofern hat der Bundesgerichtshof ja auch den Unterlassungsanspruch des Arztes bestätigt.

Ärzte, die sich an anonymen Bewertungen im Internet stören, sollten also zuerst den Betreiber des Bewertungsportals kontaktieren, um ihn darauf hinzuweisen, dass die Bewertung unwahre Tatsachenbehauptungen enthält.

Der Betreiber ist dann verpflichtet, den Nutzer, der die Bewertung abgegeben hat, zu kontaktieren und sich die Tatsachen belegen zu lassen. Gelingt das dem Nutzer nicht, muss die Tatsachenbehauptung gelöscht werden.

Will der Arzt an die Daten des Nutzers gelangen, hilft ihm nur eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen übler Nachrede beziehungsweise Verleumdung. Wie oben bereits erwähnt, erlaubt Paragraf 14 Absatz 2 TMG dem Betreiber, auf Anordnung der zuständigen Stellen Auskunft über Anmeldedaten zu erteilen, so weit dies für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.

Die Strafverfolgungsbehörden geben diese Daten zwar nicht direkt an den Betroffenen heraus. Ein beauftragter Rechtsanwalt kann sie jedoch im Wege der Akteneinsicht in Erfahrung bringen.

Trotz des jüngsten BGH-Urteils in Sachen Arztbewertung kann jedem Arzt nur geraten werden, sich weiterhin gegen unwahre Behauptungen zur Wehr zu setzen.

Az.: VI ZR 345/13

Nico Gottwald ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Ratajczak & Partner in Sindelfingen (www.rpmed.de)

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