Organspende

Der Fall Muhammet findet vorläufig kein Ende

Vorläufig keine Entscheidung im Fall Muhammet: Die Eltern des Jungen suchen jetzt ein neues Transplantationszentrum, dass sich ihrer annimmt. Erst wenn sie dabei nicht fündig werden, muss das Landgericht Gießen entscheiden.

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"Es ist unfair, bei einer Betrachtung von medizinischen Sachverhalten den Ärzten Diskriminierung vorzuhalten", sagt Professor Norbert W. Paul, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Uni Mainz.

"Es ist unfair, bei einer Betrachtung von medizinischen Sachverhalten den Ärzten Diskriminierung vorzuhalten", sagt Professor Norbert W. Paul, Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Uni Mainz.

© Peter Pulkowski / dpa

GIEßEN. Im Fall Muhammet Eren haben sich Kläger und Beklagte am Landgericht Gießen am Freitag auf einen sogenannten Zwischenvergleich geeinigt.

Das Verfahren über den Antrag, den die Eltern gegen das Uniklinikum Gießen-Marburg gestellt haben, soll jetzt für vier Wochen ruhen.

In der Zwischenzeit soll das Ärzteteam eines anderen Transplantationszentrums das schwer herzkranke Kind erneut untersuchen und gegebenenfalls zur Behandlung und Organverpflanzung übernehmen.

Wird in der Vierwochenfrist keine Lösung gefunden, soll nach Angaben eines Gerichtssprechers in etwa sechs Wochen eine Entscheidung über den Antrag ergehen.

BÄK bestätigte UKGM

Mit ihrer Klage beim Landgericht wollten die Eltern erreichen, dass ihr Junge auf die Warteliste des UKGM für ein Spenderorgan kommt. Das UKGM hatte dies mit der Begründung abgelehnt, eine Transplantation komme aufgrund eines bei dem Zweijährigen bestehenden schweren Hirnschadens nicht in Frage.

Erst kürzlich hatten Gutachter der Bundesärztekammer diesen Befund bestätigt. Dagegen machten die Eltern vor Gericht geltend, die Ablehnung der Transplantation stelle eine Diskriminierung eines Behinderten dar.

Gegen diese Argumentation hat sich unterdessen der Mainzer Medizinethiker Professor Norbert W. Paul zu Wort gemeldet. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa bezeichnete Paul die Kritik an den Gießener Ärzten als ungerecht und populistisch.

"Es geht nicht um die Frage von Behinderung, sondern einzig und allein um die Prognose für die weitere Gesundheit. Es geht nicht um die Einschätzung zum Wert eines Lebens, sondern um Lebensqualität. Es ist unfair, bei einer Betrachtung von medizinischen Sachverhalten den Ärzten Diskriminierung vorzuhalten. Das ist billiger Populismus. Bei der Diskussion werden zudem die Patienten vergessen, die mit einem neuen Organ bessere Lebenschancen hätten."

Der Mangel geeigneter Spenderorganen verpflichte geradezu zu gewissenhafter Auswahl möglicher Empfänger.

Paul: "Jedes Leben ist es wert, gerettet zu werden. Doch es gibt immer auch diese Perspektive: Wir müssen mit viel zu knappen Ressourcen - Spenderorganen - so umgehen, dass die Empfänger ausgewählt werden, die den größtmöglichen Nutzen davon haben. Für den einzelnen, der dann keines bekommt, ist das verständlicherweise bitter."

Vertrauensverhältnis zerrüttet

Wegen der Auseinandersetzung um die Transplantationschancen des kleinen Muhammet war das Vertrauensverhältnis zwischen UKGM und den Eltern zuletzt völlig zerrüttet.

Zudem nahm der öffentliche Druck auf das Klinikum stetig zu. Sollte sich jetzt kein Transplantationszentrum finden, das Kind zu übernehmen, sind die Gießener Richter erneut gefragt.

Von einem Urteil könnte dann auch Signalwirkung für die Debatte ausgehen, inwieweit Organvergabe-Entscheidungen vor Gericht einklagbar sind. (pei/dpa/cw)

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