EuGH

EU-Richter stärken Recht auf Krankenbehandlung im Ausland

Wenn sich EU-Bürger nicht auf die Krankenhäuser in ihrem Heimatland verlassen können, haben sie das Recht auf eine Behandlung im Ausland. Engpässe in einer einzelnen Klinik reichen allerdings nicht aus, urteilen EU-Richter. Eine herzkranke Frau muss weiter bangen.

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Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg: Manche Urteile sind im wirklichen Leben nur schwer umsetzbar.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg: Manche Urteile sind im wirklichen Leben nur schwer umsetzbar.

© Frey / dpa

LUXEMBURG. Medizinische Mangelländer wie Rumänien müssen Patienten gegebenenfalls eine Krankenhausoperation im Ausland bezahlen, wenn der Mangel eine rechtzeitige Behandlung im Inland verhindert.

Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Voraussetzung ist, dass das Gesundheitssystem des ganzen Landes die Operation nicht rechtzeitig anbieten kann.

Danach kann eine Rumänin auf Kostenerstattung von 17 715 Euro für eine Herzoperation in Deutschland hoffen. Entscheiden müssen darüber nun die rumänischen Gerichte.

Offen bleibt nach dem Luxemburger Urteil allerdings die für die praktischen Folgen entscheidende Frage der sogenannten Beweislast.

Der EuGH gab keinen Hinweis, ob nun die rumänische Krankenkasse eine mögliche Klinik benennen muss, oder ob umgekehrt die Patientin nachweisen muss, dass ihre Operation nirgendwo in Rumänien möglich gewesen wäre.

Die klagende Rumänin war wegen einer schweren Erkrankung ihrer Herzgefäße bereits 2007 erfolglos operiert worden. 2009 wurde sie erneut in eine Herzklinik in Temeswar eingeliefert.

Op innerhalb von drei Monaten nötig

Nach Ansicht der dortigen Ärzte war innerhalb von drei Monaten eine Op am offenen Herzen notwendig, um die Mitralklappe auszutauschen und zwei Stents einzusetzen. Die Patientin traute dies der rumänischen Klinik nicht zu.

Es fehle dort selbst an grundlegendem Material wie Schmerzmitteln, medizinischem Alkohol und sterilen Verbänden. Mit drei Patienten pro Bett sei das Krankenhaus erheblich überbelegt. Eine Behandlung im Ausland lehnte die Krankenkasse aber ab.

Die Ärzte hätten nicht festgestellt, dass die Operation - gegebenenfalls auch in einem anderen Krankenhaus - in Rumänien nicht rechtzeitig erbracht werden könne.

Die Patientin entschied sich dennoch für eine Operation in Deutschland und verlangt von ihrer Krankenkasse die Erstattung der hiesigen Behandlungskosten. Das rumänische Landgericht in Sibiu legte den Streit dem EuGH vor.

Nach bisheriger EuGH-Rechtsprechung können sich EU-Bürger in einem anderen Staat behandeln lassen, wenn eine in ihrem Heimatland eigentlich gewährte Behandlung dort nicht rechtzeitig möglich ist.

Wenn medizinisches Material fehlt

Nach dem neuen Urteil gilt dies auch dann, wenn der Grund hierfür in einer generellen Mangelsituation liegt. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Behandlung "rechtzeitig erlangt werden kann", seien "sämtliche Umstände des konkreten Falles" zu beachten.

Dazu gehöre auch das Fehlen von Medikamenten und grundsätzlichem medizinischen Material.

Gleichzeitig stellte der EuGH aber klar, dass dies "auf der Ebene sämtlicher Krankenhauseinrichtungen des Wohnsitzmitgliedstaats zu beurteilen ist". Zudem komme es auf das verfügbare Zeitfenster an.

Mit seinem Urteil weicht der EuGH deutlich von den sogenannten Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts Cruz Villalón ab. Wie berichtet, hatte der richterliche Rechtsgutachter im Juni vor einer "massiven Gesundheitsmigration" gewarnt.

Diese könne die für den Gesundheitssektor verfügbaren Mittel der ärmeren EU-Staaten weitgehend verschlingen, wodurch die Versorgung in dem Herkunftsland noch mehr leide. (mwo)

Urteil des EuGH, Az.: C-268/13

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zum EuGH: Urteil mit Fragezeichen

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