EGMR-Richter

Privatsphäre geht vor Recht auf Ausbildung

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STRASSBURG. Medizinstudenten dürfen nicht ohne Zustimmung der Schwangeren bei einer Geburt zusehen.

Die Patientin ist vorab deutlich auf entsprechende Pläne hinzuweisen und über ihr Widerspruchsrecht zu informieren, urteilte am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Er sprach damit einer Russin eine Entschädigung von 3000 Euro zu.

Sie hatte nach dem Beginn von Wehen eine Klinik aufgesucht. Dort erhielt sie eine Broschüre, die auch über das Ausbildungsprogramm der Klinik informierte. Daran würden "alle Patienten beteiligt", hieß es.

Die 18-Jährige erhielt wehenhemmende Medikamente und Schlafmittel. Nach eigenen Angaben widersprach die Patientin am Folgetag im Kreißsaal der Anwesenheit von Medizinstudenten.

Während der gut halbstündigen Geburt waren dennoch mehrere Studenten anwesend. Diese waren offenbar auch über ihren gesundheitlichen Zustand und über die bisherige Behandlung informiert worden.

Russische Gerichte wiesen Klage ab

Durch dieses Vorgehen der Klinik sah die junge Frau ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Ihre entsprechende Klage wiesen die russischen Gerichte jedoch ab.

Vor dem EGMR hatte ihre Beschwerde nun Erfolg. Ihr Recht auf Privatleben sei verletzt. Zwar sei die Teilnahme von Studenten bei einer Geburt durchaus zulässig und hier nach russischem Recht auch vorgesehen gewesen.

Jedenfalls damals, 1999, sei das russische Recht aber einseitig auf die Belange der medizinischen Ausbildung ausgerichtet gewesen, ohne die Rechte der Patientinnen ausreichend zu schützen.

So mache die Klinikbroschüre nur sehr vage Angaben. Zudem erwecke sie den Eindruck, dass die Teilnahme der Studenten verbindlich sei, rügten die Straßburger Richter.

Und schließlich sei die Frau auch nicht über Alternativen informiert worden, wenn sie mit der Anwesenheit Dritter nicht einverstanden sei. (mwo)

Urteil des EGMR, Az.: 37873/04

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