Transplantation

Muhammets Eltern wollen in Revision gehen

Das Landgericht Gießen hat am Freitag dem Uniklinikum Gießen-Marburg Recht gegeben, das den zweijährigen Muhammet aus medizinischen Gründen nicht auf die Warteliste für ein Spenderherz setzen will. Die Eltern wollen das nicht hinnehmen.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:

GIESSEN. Der Fall des schwer herzkranken Muhammet Eren wird die Justiz weiter beschäftigen. Nach Angaben von Anwalt Oliver Tolmein geht die Familie in Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts Gießen, das den Antrag des Zweijährigen auf einstweilige Verfügung abgelehnt hat.

Damit sollte das Uniklinikum Gießen-Marburg (UKGM) verpflichtet werden, das Kind auf die Warteliste für ein Spenderherz zu setzen. Die Eltern hatten gehofft, dass Muhammet Eren in Gießen ein neues Herz erhält. Das Uniklinikum befand jedoch, dass das Kind für eine Transplantation zu krank ist.

Begründet wird dies mit dem Hirnschaden, den es kurz vor der Abreise nach Gießen erlitten hatte. Das UKGM sieht seine Einschätzung durch externe Ärzte und eine Kommission der Bundesärztekammer bestätigt (wir berichteten). Daraufhin wandten sich die Eltern an die Justiz, scheiterten nun aber am Landgericht Gießen.

Gericht: Keine Diskriminierung

Nach dessen Auffassung liegt keine Diskriminierung wegen Behinderung vor, weil nicht die Hirnschädigung des Kindes an sich, sondern die hieraus resultierenden erhöhten Operationsrisiken das Hindernis für eine Organübertragung darstellten. Laut Transplantationsgesetz und Richtlinien der Bundesärztekammer könne sich eine Kontraindikation aus Befunden, Erkrankungen oder Umständen ergeben, die das Operationsrisiko erheblich erhöhen oder den längerfristigen Erfolg der Transplantation in Frage stellen.

Diese Voraussetzungen halte das Gericht für glaubhaft gemacht. Muhammet teile damit bedauerlicherweise das Schicksal aller Patienten, die zwar ein Spenderorgan benötigen, aber noch an einer anderen Erkrankung leiden, die den Erfolg des Eingriffs beeinträchtigt.

Nach den Worten des Ärztlichen Geschäftsführers des UKGM, Professor Dr. Werner Seeger, ist damit die Auffassung der Ärzte im Transplantationsteam erneut bestätigt worden. Bis heute liege kein Angebot eines anderen Zentrums vor, bei Muhammet Eren den Eingriff zu machen.

Sechswöchige Frist

Das Landgericht hatte bei einem Zwischenvergleich Anfang September eine sechswöchige Frist gesetzt, in der nach einer anderen Transplantationsklinik gesucht werden sollte. Das Klinikum bittet die Eltern nun eindringlich, "gemeinsam mit uns über die verbleibenden alternativen Behandlungsschritte zu sprechen".

Die Entscheidung des Landgerichts ist nach den Worten des Hamburger Rechtsanwalts Oliver Tolmein in zwei wesentlichen Punkten zu kritisieren. Es habe sich unzureichend mit der Kritik an den Transplantationsrichtlinien auseinandergesetzt, "mit deren Inhalt und deren Zustandekommen". Es sei ein unzutreffendes Ergebnis, die Richtlinien einfach so anzuwenden.

Zudem sei die Frage nicht geprüft worden, ob der Mandant benachteiligt werde. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass eine Transplantation erfolgreich verlaufen könne. Die mangelnde Evidenz in der Frage, ob bei einem Hirnschaden, wie ihn das Kind hat, schlechte Erfolgschancen für eine Organverpflanzung bestünden, sei zu Ungunsten von Muhammet ausgelegt worden.

Das Kind bleibt im UKGM

Der neurologische Zustand des Zweijährigen sei stabil. Es sei klar, dass er eine Behinderung habe, aber es liege kein Wachkoma oder ähnliches vor. "Faktisch wurde eine Lebensqualitätsentscheidung getroffen", erläutert Tolmein. Im Kern gehe es in diesem Streitfall aber um unzureichende Patientenschutzregelungen im Transplantationsgesetz. "Eigentlich streiten wir mit dem Gesetzgeber."

Das Kind wird weiterhin im UKGM behandelt, nach Angaben des Anwalts voraussichtlich so lange, wie die juristische Auseinandersetzung dauert.

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