Urteil

Europarichter billigen passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe verstößt nicht gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall des querschnittsgelähmten Vincent Lambert aus Frankreich entschieden.

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STRASSBURG. Passive Sterbehilfe verstößt nicht gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben.

Im Mittelpunkt muss dabei immer der mutmaßliche Wille des Patienten stehen, urteilte am Freitag die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Voraussetzung ist danach zudem ein klarer gesetzlicher Rahmen im nationalen Recht.

Konkret billigten die Straßburger Richter die Beendigung der künstlichen Ernährung von Vincent Lambert in Frankreich.

Der heute 38-Jährige hatte 2008 einen schweren Motorradunfall. Seitdem ist er querschnittsgelähmt und liegt mit schweren Hirnschäden im Koma.

Richter: Abschalten der medizinischen Geräte ist zulässig

Nach französischem Recht entscheiden die behandelnden und weitere Ärzte, ob die künstliche Ernährung eingestellt werden soll. Im Fall Lamberts hatten sie dies befürwortet.

Das oberste französischen Verwaltungsgericht hat dies 2014 in einer ungewöhnlichen Plenumsentscheidung bestätigt, weil es auch dem mutmaßlichen Willen Lamberts entspreche.

Die höchstrichterliche Entscheidung hatte Frankreich und auch die Familie gespalten. Lamberts Frau und die Mehrheit seiner Geschwister befürworteten ein Ende der künstlichen Ernährung.

Seine Eltern und zwei Geschwister waren dagegen und riefen den EGMR an. Dort hat eine deutliche Mehrheit von zwölf der 17 Richter die französische Entscheidung nun gebilligt.

Passive Sterbehilfe durch das Abschalten medizinischer Geräte sei zulässig, wenn es in einem klaren gesetzlichen Rahmen geschieht.

Im Mittelpunkt des Entscheidungsprozesses müssten dabei der Patient und sein tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille stehen. Denn es gehe einerseits um das Recht des Patienten auf Leben und andererseits sein Recht auf Selbstbestimmung.

Patientenverfügung ratsam

In Frankreich seien die gesetzlichen Vorgaben ausreichend klar. Jedenfalls in der Auslegung des obersten Verwaltungsgerichts stehe auch der Wille des Patienten ausreichend im Mittelpunkt.

Im konkreten Fall Lamberts seien alle Gesichtspunkte untersucht und alle Sichtweisen angehört worden. Seine Frau und sein Bruder hätten konkrete Äußerungen detailliert geschildert, dass er unter Umständen wie den jetzigen nicht mehr leben wolle.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz in Dortmund empfahl allen Bürgern, eine Patientenverfügung zu verfassen. Ein "unwürdiges Gezerre", wie jetzt im Fall Lamberts, könne so am besten verhindert werden. (mwo)

Az.: 46043/14

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