Zwangsbehandlung

Attest reicht nicht

Der Bundesgerichtshof hat die Regeln für eine Zwangsbehandlung verschärft: Ohne gerichtlich bestellten Gutachter geht demnach nichts.

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KARLSRUHE. Bevor Gerichte die Zwangsbehandlung eines psychisch Kranken genehmigen dürfen, müssen sie zuvor förmlich einen Sachverständigen zurate ziehen.

Andernfalls wird das Freiheitsgrundrecht des Patienten verletzt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem jetzt veröffentlichten Beschluss. Ein einfaches Attest des behandelnden Arztes ist nicht zulässig.

Konkret ging es um eine psychisch kranke Frau aus dem Saarland, die auf Veranlassung ihres Betreuers in der Psychiatrie untergebracht war. Nach Einholung eines Attestes der behandelnden Ärztin sollte die Patientin über einen Zeitraum von sechs Wochen zwangsweise Neuroleptika in Depotform verabreicht bekommen.

Sowohl das Amts- als auch das Landgericht genehmigten mit Blick auf das ärztliche Attest die Zwangsmaßnahme. Doch damit haben die Gerichte das Freiheitsgrundrecht der psychisch kranken Frau verletzt, so der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss.

Denn bevor Gerichte eine Zwangsbehandlung genehmigen können, müssten sie zuvor immer förmlich einen Sachverständigen bestellen, der die Notwendigkeit der Maßnahme bescheinigt.

Dem Betroffenen müsse die Ernennung des Gutachters auch mitgeteilt werden, damit dieser unter Umständen von seinem Ablehnungsrecht Gebrauch machen kann. Der gerichtlich bestellte Gutachter habe zudem die Pflicht, den Kranken persönlich zu untersuchen oder zu befragen.

Ein ärztliches Attest - wie im vorliegenden Fall - genüge nicht, da die Ärztin nicht zur gerichtlich bestellten Sachverständigen berufen wurde.

Grundsätzlich dürfe der behandelnde Arzt diese Funktion auch nicht übernehmen, stellten die Karlsruher Richter in ihrem Beschluss klar. Dies sei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erlaubt - beispielsweise bei Eilbedürftigkeit. (fl)

Urteil es Bundesgerichtshofs, Az.: XII ZB 600/14

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