BGH

Ärzte in Beweispflicht bei OP ohne Einwilligung

Nach einem Eingriff erleidet ein Mädchen schwere Schäden. Der Arzt operierte ohne Einwilligung der Eltern und muss die Beweislast tragen, entschied der BGH.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Führen Ärzte OPs ohne wirksame Einwilligung durch, müssen sie belegen, dass der Eingriff nötig war. Das entschied der BGH in einem Urteil.

Führen Ärzte OPs ohne wirksame Einwilligung durch, müssen sie belegen, dass der Eingriff nötig war. Das entschied der BGH in einem Urteil.

© Kzenon / fotolia.com

KARLSRUHE. Nach einer Operation ohne wirksame Einwilligung des Patienten liegt im Streit um mögliche negative Folgen die Beweislast bei der Klinik und dem behandelnden Arzt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil klargestellt.

Im entschiedenen Fall geht es um ein 2001 geborenes Mädchen. Bei ihm wurde ein gutartiger Tumor festgestellt und noch im Geburtsjahr in Mainz operiert. Dabei konnte er aber nicht komplett entfernt werden. Postoperativ verblieb eine Hemiparese rechts. Im Alter von 15 Monaten wurden zunehmende zystische Tumoranteile festgestellt. Spezialisten der Unikliniken Würzburg und Heidelberg rieten davon ab, den Tumor möglichst weitgehend zu entfernen; dies könne nicht erfolgreich gelingen. Stattdessen rieten sie zu einer Drainierung der Zyste.

Kein Bericht in Unterlagen

Die Eltern willigten in diese Operation ein. Der Operateur in Mainz setzte sich jedoch darüber hinweg und versuchte eine vollständige Entfernung des Tumors. Ein Bericht über diesen Eingriff existiert in den Krankenhausunterlagen nicht.

Durch die Op erlitt das Mädchen schwere Nerven- und Gefäßverletzungen. Sie litt danach an einer schweren Tetraplegie mit fast vollständiger Lähmung, Fehlstellungen der Hand- und Fußgelenke und einer Schluckstörung. Sie war blind und konnte nie sprechen. 2013 starb das Mädchen im Alter von zwölf Jahren.

Forderung der Eltern zunächst abgewiesen

Noch vor ihrem Tod reichten die Eltern für ihre Tochter eine Klage ein und forderten Schadenersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro. Die Eltern verfolgen dies nun als Erben ihrer Tochter weiter.

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz sprach ihnen nur 50.000 Euro Schadenersatz zu. Die Operation zur Entfernung des Hirntumors sei mangels Einwilligung zwar rechtswidrig gewesen und habe auch zu schweren Schäden geführt. Nach Einschätzung einer Gutachterin sei es aber völlig unklar, wie sich das Mädchen ohne diese Operation entwickelt hätte. Weil insoweit die Beweispflicht bei den klagenden Eltern liege sei hier vom ungünstigsten möglichen Verlauf auszugehen.

Dieses Urteil hob der BGH nun auf. Nach einer rechtswidrig ausgeführten Operation sei es "Sache des beklagten Arztes zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde", betonten die Karlsruher Richter.

BGH: Nicht Sache der Eltern

Es sei daher nicht Sache der Eltern gewesen, zu beweisen, dass eine Drainierung der Zyste zu ähnlich schweren Folgen geführt hätte. Die Beweislast liege vielmehr bei der Klinik und ihrem - mittlerweile verstorbenen - Arzt. Zur erneuten Entscheidung über die Höhe von Schadenersatz und Schmerzensgeld verwies der BGH den Streit an das OLG Koblenz zurück.

Bundesgerichtshof

Az.: VI ZR 467/14

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