Praxischef abgeschmettert

Niedergelassene Ärzte dürfen nicht streiken

Es sollte ein historischer Tag für die niedergelassenen Ärzte werden. Doch daraus wurde nichts. Auch in Zukunft dürfen sie nicht streiken, wie das Bundessozialgericht am Mittwoch in einem Urteil bekräftigte.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
In anderen Branchen normal: Doch niedergelassene Ärzte dürfen auch künftig nicht streiken.

In anderen Branchen normal: Doch niedergelassene Ärzte dürfen auch künftig nicht streiken.

© [M] Schild: Thomas Reimer / fotolia.com | Arzt: martialred / fotolia.com

KASSEL. Niedergelassen Ärzte haben kein Streikrecht. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat am Mittwoch die Streik-Klage von Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner abgewiesen. Auf die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit könne er sich nicht berufen, urteilten die Richter. Baumgärtner will nun Verfassungsbeschwerde einlegen.

Der Chef des baden-württembergischen Ärzte-Verbandes Medi hatte am 8. Oktober und 21. November 2012 seine Hausarztpraxis in Stuttgart geschlossen und ausdrücklich erklärt, er wolle damit das ihm verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht wahrnehmen.

Zu einer solchen Ankündigung waren andere niedergelassene Ärzte nicht bereit. Es gab an diesen Tagen aber kleinere Kundgebungen mit weiteren Ärzten in Stuttgart.

KV erteilte Praxischef Verweis wegen Streik

Die KV Baden-Württemberg erteilte Baumgärtner einen Verweis. Seine Klage stützte er auf das im Grundgesetz und auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Streikrecht. Dies gelte ohne Einschränkungen, nicht nur für Arbeitnehmer, sagte Baumgärtners Anwalt Joachim Steck.

Zudem seien zumindest niedergelassene Ärzte in Versorgungspraxen mit hohem Anteil von gesetzlich krankenversicherten Patienten auf ihren Status als Vertragsarzt angewiesen. Durch die vielen engen Vorgaben seien sie damit in ihrer Entscheidungsfreiheit als Freiberufler extrem beschränkt.

Ohne Streikrecht gebe es keine Möglichkeit, Bürokratie abzuwehren und höhere Honorare durchzusetzen.

Je nach Streikziel könnte sich nach Ansicht des Anwalts ein Streik gegen die KV oder gegen die Krankenkassen richten. Vertreter der beklagten KV Baden Württemberg erklärten, Streiks könnten eine "Unterstützungshandlung" sein.

BSG: Streikrecht für abhängige Beschäftigte

Das BSG wies Baumgärtners Klage nun ab. Das Streikrecht sei für abhängig Beschäftigte geschaffen worden. Inwieweit Streiks daher generell für Freiberufler ausgeschlossen seien, ließen die Kasseler Richter offen. "Jedenfalls Vertragsärzte haben kein Streikrecht", sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Wenner.

Baumgärtner habe seine vertragsärztliche Präsenzpflicht schuldhaft verletzt.

"Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts die teilweise gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten zum Ausgleich gebracht, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen Bedingungen sicherzustellen", betonte der BSG-Vertragsarztsenat.

Die gemeinsame Selbstverwaltung sehe eine Verhandlungslösung und statt Streiks gegebenenfalls eine gerichtlich überprüfbare Schlichtung vor. In den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen seien die Vertragsärzte eingebunden.

Arzt muss Paket gesamt annehmen

"Dieses Paket kann ein Arzt nur insgesamt annehmen oder nicht", sagte Wenner. Er betonte aber, dass Ärzte weder zur politischen noch zur Honorar-Enthaltsamkeit verpflichtet seien. Demonstrationen seien daher erlaubt.

Wie hier eine Praxisschließung zur Teilnahme zu bewerten ist, ließ das BSG offen. Baumgärtner habe ausdrücklich einen Streik angekündigt.

Bundessozialgericht

Az: B 6 KA 38115 R

Der Gesetzgeber hat durch die Ausgestaltung des Vertragsarztrechts die teilweise gegenläufigen Interessen von Krankenkassen und Ärzten zum Ausgleich gebracht.

Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts

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