Studium

Unterhaltsanspruch ist keine Einbahnstraße

Der Bundesgerichtshof gibt einem Vater Recht, der seiner Tochter für ein Medizinstudium sechs Jahre nach dem Abi keinen Unterhalt zahlen will, da er anderweitige finanzielle Verpflichtungen eingegangen ist.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Für die Studienkosten ihrer Kinder müssen Eltern nicht bedingungslos aufkommen.

Für die Studienkosten ihrer Kinder müssen Eltern nicht bedingungslos aufkommen.

© Waltraud Grubitzsch / ZB / dpa

KARLSRUHE. Manche Träume brauchen Zeit: Sechs Jahre musste eine junge Frau warten, ehe sie den ersehnten Studienplatz im Fach Medizin zugewiesen bekam. Der davon völlig überraschte Vater muss für das Studium aber keinen Unterhalt bezahlen, entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Die heute 32 Jahre alte Frau hatte ihr Abitur 2004 mit 19 Jahren gemacht – mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Das begehrte Studium war daher nur mit Wartezeiten möglich. Sie machte daher zunächst eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin. Nach der dreijährigen Ausbildung arbeitete sie auch noch mehrere Jahre in diesem Beruf.

Bis dann der ersehnte Brief kam: Zum Wintersemester 2010/2011 könne sie ihr Medizinstudium beginnen. Die junge Frau ließ sich das nicht zweimal sagen, das Bafög-Amt unterstützte sie mit sogenannten BafögVorausleistungen.

Brief des Vaters blieb unbeantwortet

Die wollte es sich vom Vater zurückholen. Der freilich fiel aus allen Wolken und weigerte sich. Seine Tochter habe er zuletzt im Alter von 16 Jahren gesehen. Sie sei bei der Mutter aufgewachsen, mit der er selbst nie zusammengelebt habe. Als die Tochter ihr Abitur gemacht habe, habe er extra in einem Brief nach ihren weiteren Ausbildungsplänen gefragt, darauf aber nie eine Antwort erhalten. Daher habe er angenommen, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Mit seinem Einkommen habe er inzwischen auch völlig anders disponiert und sei verbindliche Ratenpflichten für sein Eigenheim eingegangen.

Vom Amtsgericht bis nun hinauf zum BGH hatten die Gerichte ein Einsehen und sind diesen Argumenten des Vaters gefolgt. Grundsätzlich könnten Kinder zwar nach einer praktischen Ausbildung durchaus auch noch für ein Studium Unterhalt verlangen, betonten die Karlsruher Richter. "Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen."

Zudem sei der Unterhaltsanspruch keine Einbahnstraße. Im Gegenzug habe das Kind die Pflicht, seine Ausbildung "mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufzunehmen und zu beenden". Ein "vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes" sei dabei allerdings unschädlich, und auch eine feste Altersobergrenze für den Ausbildungsunterhalt gebe es nicht.

Gesamtumstände zählen

"Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist", erklärten die Karlsruher Richter. Dies richte sich nicht nur nach den Einkünften der Eltern. Entscheidend sei auch, inwieweit sie noch mit weiteren Ausbildungsschritten rechnen müssen. "Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird."

Mit steigendem Alter des Kindes komme daher eine Unterhaltspflicht der Eltern immer weniger in Betracht. Allerdings stehe die durch den Numerus Clausus entstehende Wartezeit der Unterhaltspflicht des Vaters noch nicht entgegen. Auch wenn das Kind seine Ausbildungspläne nicht mit den Eltern abstimmen müsse, könnten weitere Unterhaltszahlungen aber unzumutbar sein, wenn ein Elternteil "von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden"

Genau dies sei hier der Fall. Die Tochter sei zum Studienbeginn fast 26 Jahre alt gewesen, und sie habe ihren Vater nie über ihre Ausbildungspläne informiert. Unter diesen Umständen habe er darauf vertrauen dürfen, nicht mehr zu Unterhaltszahlungen herangezogen zu werden, befand der BGH. Insbesondere habe er in diesem Vertrauen auch längerfristige Kreditverbindlichkeiten eingehen dürfen.

Bundesgerichtshof Az.: XII ZB 415/16

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