Regress

KV Bayerns sauer über Kassen-"Zahlenspiele"

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Übertreibt die KV Bayerns bei der Bedrohung durch Regresse? So sehen es zumindest die Krankenkassen. Die KV wirft den Kassen vor, die Existenzbedrohung kleinzurechnen.

Von Jürgen Stoschek

MÜNCHEN. Die Krankenkassen in Bayern fahren scharfe Geschütze gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf. Es geht um die Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Freistaat.

Im vergangenen Jahr sei nur knapp ein Prozent der niedergelassenen Ärzte in Bayern von Regresszahlungen bei Arzneimittelverordnungen betroffen, erklärte die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern in einer Pressemitteilung. Die Existenz ärztlicher Praxen sei in keinem Fall bedroht.

Die Angriffe der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Arzneiverordnungen "und ihre übertriebene Darstellung des Gefahrenpotenzials der Regresse" sei daher nichts anderes als "pure Polemik", heißt es in der Mitteilung.

Daraufhin warf die KVB den Kassen eine unsachliche und "zynische Haltung" vor.

1594 neue Arzneimittelrichtgrößen-Prüfverfahren

Die reale Gefahr, dass ein Arzt für die Verordnung von Arzneimitteln mit dem persönlichen Vermögen haften müsse, werde von den Kassen heruntergespielt, so die KVB.

Im Jahr 2012 seien bayernweit insgesamt 1594 neue Arzneimittelrichtgrößen-Prüfverfahren gegen unwirtschaftlich verordnende Ärzte eingeleitet worden, teilten die Kassen mit.

Die Zahl der geprüften Ärzte sei jedoch niedriger, da Auffälligkeiten oft in mehreren Quartalen auftreten. Nach der Prüfung seien "nur in 253 Fällen" Regresse ausgesprochen worden, so die Kassen.

Das gesamte Regressvolumen in den 253 Fällen belaufe sich auf 2,58 Millionen Euro oder auf rund 10.220 Euro pro Fall im Durchschnitt, erklärten die Kassen.

Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass Regresszahlungen gesetzlich zunächst auf 25.000 Euro pro Jahr begrenzt und Ratenzahlungen möglich sind.

"Da das durchschnittliche Bruttohonorar der bayerischen Ärzte im Jahr bei über 200.000 Euro liegt, ist es offenkundig, dass Regresszahlungen keinesfalls den wirtschaftlichen Ruin eines betroffenen Arztes bedeuten", schreiben die Kassen.

Ärzte machen sich Sorgen

Diese "Zahlenspiele", mit denen die Kassen eine Existenzbedrohung betroffener Praxen verneinen, seien fragwürdig, konterte die KVB.

Tatsächlich könne auch bei einem Praxisumsatz von über 100.000 Euro im Jahr ein Regress in Höhe von 10.000 Euro zu einer existenziellen Notlage des Praxiseigentümers führen.

Allein die Nachricht, dass ein Prüfverfahren eröffnet wurde, führe bei betroffenen Ärzten zu Stress und großen Sorgen, schreibt die KVB.

Im weiteren Verlauf des Prüfverfahrens müssten die Ärzte sich mit aufwändigen, zeitraubenden und lückenlosen Dokumentationen rechtfertigen, um mögliche Strafzahlungen zu vermeiden.

"Und das, obwohl sie keinen Schaden verursacht oder sich bereichert, sondern lediglich ihren Patienten die notwendigen Arzneimittel verordnet hatten", so die KVB.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Forderung der KVB nach einer neuen Prüfvereinbarung. Daran hätten die Kassen aber der KVB zufolge kein Interesse. Stattdessen wollten die Kassen alle Ärzte mit dem permanenten Damoklesschwert einer Rückforderung für angeblich unwirtschaftliche Verordnungen bedrohen, erklärte die KVB.

Wirtschaftlichkeitsprüfung ist ein wichtiges Instrument

Die Kassen sehen das anders. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Arzneimittelverordnungen sei ein wichtiges Instrument, um dem wirtschaftlichen Umgang mit Versichertengeldern gerecht zu werden.

Es sei eine gemeinsame Aufgabe von Kassen und Ärzten, eine qualitativ hochwertige Arzneimittelverordnung zu angemessenen Preisen für die bayerische Bevölkerung zu organisieren.

Die Kassen betonten, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung von der Prüfungsstelle Ärzte Bayern durchgeführt wird. Dabei handele es sich um eine unparteiische Einrichtung, die je zur Hälfte von der KVB und den Kassen getragen wird. Nur sie könne Regresse aussprechen.

Das Bayerische Landesprüfungsamt für Sozialversicherung habe der Prüfungsstelle Ende 2012 bescheinigt, dass sie streng nach Recht und Gesetz arbeitet.

Die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung würden strikt beachtet und der Vergleichsmaßstab sei sachgerecht und zutreffend gewählt, hieß es.

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