Antibiotika

AOK ruft zu gezielterem Einsatz auf

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NEU-ISENBURG. Nach WHO-Schätzungen sterben jährlich 700.000 Menschen an Antibiotika-Resistenzen. Dass hiervon längst nicht nur Entwicklungsländer betroffen sind, zeigen die Daten des Robert Koch-Instituts (RKI).

Am RKI wurde 2007 das ARS-Antibiotika-Resistenz-Surveillance als nationales Surveillance-System etabliert. Die Resistenzübersicht aus 2015 weist für E.coli, Klebsiella spp. und Proteus spp. 24 Antibiotika auf, gegen die die Erreger bereits resistent sind. Bei Staphylokokken sind es 18.

Gleichzeitig legt eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) nahe, dass die eigentlich als Reservewirkstoff gedachten Fluorchinolone, die eher bei schweren, lebensbedrohlichen Infektionen eingesetzt werden sollten, zu häufig verordnet werden.

Mit knapp 5,9 Millionen Arzneimittelpackungen stellten sie laut der Analyse 2015 die viertgrößte Gruppe der Antibiotika dar, die von niedergelassenen Ärzten verordnet wurden.

Individuelle Nutzenbewertung nötig

Die Krankenkasse ruft Ärzte daher zu einem gezielteren Einsatz von Antibiotika auf. "Angesichts der möglichen schwerwiegenden und langandauernden Nebenwirkungen wie Sehnenrissen, psychischen Störungen wie Depressionen und Angstzuständen, sollten diese Reserveantibiotika nur nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt eingesetzt werden", sagt der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.

Hintergrund ist, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für Fluorchinolone erst im Februar ein neues Risikobewertungsverfahren durch die Europäische Zulassungsbehörde für Arzneimittel (EMA) angestoßen hat.

Ziel sei "eine umfassende Bewertung" der Nebenwirkungen. Bereits früher sei die Sicherheit der Fluorchinolone bewertet und deren Anwendung eingeschränkt worden, hieß es vom Bundesinstitut.

Um die Ärzte für die Thematik der Resistenzbildung und den gezielten Antibiotika-Einsatz zu sensibilisieren, hat das Institut eine Hochrechnung auf der Grundlage der AOK-Versicherten vorgenommen (allerdings ohne Indikationsdaten).

Laut WIdO entfielen 16,4 Prozent der insgesamt rund 38 Millionen Antibiotikaverordnungen im Jahr 2015 auf die in Prüfung befindlichen Fluorchinolone. Hochgerechnet hätten damit mehr als vier Millionen – also sechs Prozent – der über 70 Millionen GKV-Versicherten diese Antibiotika erhalten.

Erste Anlaufstelle Hausarzt

Mehr als zwei Drittel (70 Prozent) dieser Verordnungen würden von Hausärzten vorgenommen. Die für Patienten mit akuten Infektionen naturgemäß auch erste Anlaufstelle sind.

Dies sowie das Ausmaß der Verordnungen bei den niedergelassenen Ärzten insgesamt lasse darauf schließen, dass Fluorchinolone eben nicht ausschließlich bei schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Erkrankungen zum Einsatz kommen, vermutet das WIdO.

Druck von Patienten?

Dem Institut geht es dabei nicht um eine Schuldzuweisung. Wichtig sei eine schnellere und bessere Keimbestimmung, der dann auch der gezieltere Einsatz von Antibiotika folgen könne. Und es brauche mehr Aufklärung – nicht nur bei Ärzten, so das Institut. Die Patienten bzw. Versicherten müssten umfassender über den Antibiotika-Einsatz informiert werden.

Grundsätzlich gilt laut Schröder nach wie vor die goldene Regel: So selten wie nötig und so gezielt wie möglich. "Nur so kann sichergestellt werden, dass die zukünftigen Therapiechancen eines Antibiotikums nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt und gleichzeitig die Patienten nicht unnötigen Gefahren ausgesetzt werden", ergänzt er.

Antibiotika waren nicht zuletzt auch beim G20-Gipfel eines der zentralen Gesundheitsthemen: Eines der gemeinsamen Ziele der G20-Staaten ist dabei, die Infektionsprävention zu stärken. (eb)

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