Im Patientengespräch

Ärztinnen kommunizieren besser

Frauen können besser zuhören als Männer - das ist nicht nur ein Klischee, zumindest, was Ärztinnen angeht: Eine Studie belegt jetzt, dass Medizinerinnen im Patientengespräch mehr punkten als ihre männlichen Kollegen.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Ärztinnen kommunizieren häufig partnerschaftlicher mit ihren Patienten.

Ärztinnen kommunizieren häufig partnerschaftlicher mit ihren Patienten.

© Alexander Raths / fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. Ärztinnen kommunizieren häufig anders als ihre männlichen Kollegen. Auch wenn man bei diesem Thema schnell in das Klischee von " Männer können nicht zuhören" fällt, so steckt doch einiges an Wahrheit darin.

Dies bestätigt auch Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes: "Ärztinnen lassen sich mehr Zeit für ihre Patienten und sehen sie ganzheitlicher als ihre männlichen Kollegen. Auch scheinen sie sich besser einfühlen zu können."

Aber Frauen würden sich auch häufig andere, "weichere" ärztliche Fächer aussuchen, als Männer, so Groß. Obwohl gerade auch bei den vermeintlich männlichen Fächern wie der Chirurgie das Gespräch mit dem Patienten vor dem Eingriff enorm wichtig ist.

Hier müsse mehr mit dem Patienten geredet und erklärt werden und dies auch in der Weiterbildung stärker Berücksichtigung finden, sagt Groß.

Lebenssituation wird besser erfasst

Auch eine Studie der Universität Leipzig hat herausgefunden, dass Ärztinnen anders mit ihren Patienten sprechen als Ärzte (G. Weißflog et al.: Patientenzufriedenheit in der onkologischen Nachsorge - differentielle Befunde zur Geschlechtsspezifik in Arzt-Patient-Dyaden,

Das Gesundheitswesen 2014; 76 (5); S. 306-311). In der Studie wurde die Zufriedenheit von onkologischen Patienten untersucht. Dabei kam heraus, dass Patienten zufriedener sind, wenn die Kommunikation gut ist. Und es zeigte sich , dass bei Ärztinnen die Zufriedenheit der Patienten höher war. 1130 Patienten nahmen an der Studie teil.

Ärztinnen berücksichtigen, laut Studie, mehr die Lebenssituation der Patienten. "Sie fragen nach, wie sich die Krankheit auf das Leben auswirkt", sagt Dr. Gregor Weißflog, Autor der Studie. Außerdem gaben Patienten an, mit Ärztinnen vertrauensvoller kommunizieren zu können. Und es zeigte sich, dass das Geschlecht bei der Kommunikation nicht nur auf Arztebene, sondern auch auf Patientenebene eine Rolle spielt.

Diese Unterschiede in der Patientenzufriedenheit seien am ehesten auf verschiedene Kommunikationsstile von Ärztinnen und Ärzten zurückzuführen, so der Studienautor. Männer kommunizieren oft sachlich und faktenorientiert.

"Das machen Frauen auch, hinzu kommt bei ihnen aber noch ein verstärktes Nachfragen im emotionalen Bereich", erklärt Weißflog. Ärztinnen kommunizierten mit ihren Patienten partnerschaftlicher: "Sie schauen sich den Patienten auch abseits der Medizin an."

"Wenn das Arzt-Patienten-Gespräch gut ist, steigt nicht nur die Zufriedenheit, sondern der Patient hält sich auch eher an die Therapieempfehlung. Am Ende hat gute Kommunikation potenziell Einfluss auf den Behandlungserfolg", sagt Weißflog.

Für die Gesprächsgestaltung sind laut der Leipziger Forscher, ärztliche Kompetenzen wie Empathie und partnerschaftliche Kommunikationsweise von tragender Bedeutung und haben eine Auswirkung auf die Patientenzufriedenheit.

Das Problem steckt auch im Honorar

"In den letzten 35 bis 40 Jahren hat sich unser Gesundheitssystem in eine falsche Richtung entwickelt. Es wurde immer mehr Wert auf Laborwerte und Apparatemedizin gelegt und auch bezahlt. Das Gespräch ist dabei drastisch in den Hintergrund gerückt.

Dabei ist das Gespräch und die Zeit, die sich ein Arzt für Patienten nimmt, ein wichtiger Faktor, der die Heilung beeinflusst", sagt auch Groß.

"Deshalb wurde auch die Gesprächskompetenz als zwingend notwendig im Weiterbildungskatalog für Fächer wie Gynäkologie oder Allgemeinmedizin aufgenommen."

Derzeit werde in der Bundesärztekammer über eine komplette Überarbeitung der Weiterbildungsordnung diskutiert. Dabei sollte das Thema Kommunikation in allen Fächern mit Patientenkontakt, also auch etwa der Chirurgie, einfließen.

Auch im Studium sei das Thema Kommunikation inzwischen an vielen Universitäten schon ab dem ersten Semester fest verankert, etwa an der Universität in Essen, wie Groß berichtet.

Die Probleme bei der Arzt-Patienten-Kommunikation seien meist, dass manche Ärzte sich nicht so gut in die Patienten hineindenken können oder sie Begriffe verwenden, die Patienten nicht verstehen.

Auch gehen viele Ärzte davon aus, dass Patienten mehr Wissen haben, was häufig aber nicht zutrifft, so Groß. Besonders schwierig sei es, schwere Fälle zu kommunizieren. Groß: "Das muss man als Arzt üben, denn das kann auch für Mediziner anfangs selbst sehr beängstigend sein."

Das größte Problem ist der Faktor Zeit: Denn selbst wenn sich Ärzte Zeit nehmen möchten, fehle diese häufig im ärztlichen Alltag und werde nicht vergütet. "Als ich als Ärztin anfing, nahm man sich für seine Patienten noch Zeit, und das wurde auch bezahlt. Heute gibt es feste Pauschalen in der Praxis und im Krankenhaus. Da arbeiten Ärzte am Ende in der Freizeit", erläutert Groß.

"Eine solche Bezahlung lässt gerade einmal Zeit für die Untersuchung, für ein ausführliches Gespräch fehlt diese dann aber häufig. Es ist allen bewusst, dass dies eine Fehlentwicklung ist, die behoben werden müsste", sagt Groß. "Der Mensch muss im Mittelpunkt bleiben", sagt auch Weißflog.

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