Potenzial ist da

Wird Telemedizin zum Exportschlager?

Die Telemedizin eröffnet der deutschen Spitzenmedizin national und international erhebliche Zukunftschancen.

Von Monika Peichl Veröffentlicht:

FRANKFURT/MAIN. Am Frankfurter Krankenhaus Nordwest ist Telemedizin längst kein Gedankenspiel mehr. Seit 2010 kooperiert es in der Neurologie und Neuroradiologie mit dem kleinen, aber reichen Sultanat Brunei, wo ein neurologisches Zentrum aufgebaut wurde.

Die deutschen Fachärzte stehen via Datenleitung ständig für Befundung und Fallkonferenzen bereit und bilden Fachkräfte aus Brunei aus.

Das Krankenhaus erwirtschafte inzwischen rund zehn Prozent seines Umsatzes mit ausländischen Patienten und Forschungsprojekten, sagte Geschäftsführer Tobias Gottschalk auf einer Tagung zum Thema Telemedizin in Frankfurt am Main.

Professor Dr. Uta Meyding-Lamadé, Chefärztin der Neurologischen Klinik, wies darauf hin, dass die Schlaganfallrate auch in Schwellen- und Entwicklungsländern wegen der Alterung der Bevölkerung steigen werde. Allein in Indien würden etwa 2000 Stroke Units gebraucht. Dazu komme die neurologische Rehabilitation, die in Asien bisher noch weithin unbekannt sei.

Mit Telemedizin könnten Patienten eine Zweitmeinung von ausländischen Experten bekommen, ohne dafür reisen zu müssen, erläuterte Professor Dr. Bodo Kress, Chef der Neuroradiologie am Nordwest-Krankenhaus. Technisch sei sie relativ einfach einzurichten.

Entsprechend ihrem Bedarf könne eine Klinik etwa in einem asiatischen Land telemedizinische Konsile entweder fallweise oder auf regulärer Basis nutzen und damit bei ihren Patienten werben.

Eine neuroradiologische Abteilung, die sieben Tage pro Woche rund um die Uhr arbeitet, erfordere mindestens fünf Neuroradiologen. Diese seien vielerorts gar nicht vorhanden, und "so eine Abteilung würde hohe Kosten produzieren".

Bei der Kooperation mit dem Neuroscience Stroke and Rehabilitation Center in Brunei wird eine Internationale Mietleitung (IPLC) genutzt. Dass so eine Leitung ausfallen kann, etwa wenn in Indonesien bei Bauarbeiten ein Kabel beschädigt wird, hat die transkontinentale Notfall-Diagnostik laut Kress bisher noch nie gefährdet, weil für die Übertragung der Bilder auf das normale Internet zurückgegriffen werden kann.

Wissens-Export ist noch ausbaubar

Entwicklungs- und Schwellenländer bieten der deutschen Gesundheitswirtschaft einen Markt, der noch auf Erschließung wartet. Hilfestellung dafür bietet die German Healthcare Partnership (GHP), eine Initiative der Industrie, an der sich unter anderem Bayer AG, Boehringer Ingelheim und Bioscientia, Asklepios und das Krankenhaus Nordwest, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) beteiligen.

Bisher sei Deutschland nicht sehr erfolgreich im Export von Know-how für den Betrieb von Krankenhäusern, sagte GHP-Geschäftsführer Robin Scheffel.

Ministerien, Industrie- und Handelskammer, GIZ und KfW bieten den Unternehmen laut Scheffel Hilfestellung an. So unterstütze das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Juni eine Wirtschaftsdelegation nach Kenia, wo die neu geschaffene Behörde für Informations- und Kommunikationstechnik einen Masterplan für das Kenyatta National Hospital vorgelegt hat.

Auch Fluggesellschaften profitieren

Das Hospital soll mit einem Investitionsvolumen von 40 bis 80 Millionen US-Dollar eine hochmoderne IT-Infrastruktur erhalten, die auch Telemedizin ermöglichen würde - eine Marktchance für deutsche Krankenhäuser. Scheffel verdeutlichte allerdings auch, auf welche Hindernisse das Pilotprojekt stoßen kann: Geldmangel, Korruption, langwierige Entscheidungsprozesse.

Auch wenn Telemedizin den Medizintourismus künftig reduzieren könnte: Für die Lufthansa sind Krankentransporte ein wachsendes Segment. Nach Angaben von Stefan Pump, Direktor Medical Services, erhielt das Medical Operations Centre der Airline im vergangenen Jahr rund 12.000 Anfragen wegen medizinisch assistierter Flüge, darunter auch Intensivpatienten.

Aus Sicht der Fluggesellschaft ist Telemedizin vor allem bei Notfällen an Bord interessant, dafür soll das Kabinenpersonal mit Tablet-Computern ausgestattet werden. Denn nur bei 40 Prozent der medizinischen Notfälle befinde sich ein Arzt unter den Passagieren.

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