HINTERGRUND

Auch beim Ombudsmann scheitern immer mehr Patienten, die Streit mit der PKV haben

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Private Krankenversicherer (PKV) werden immer rigoroser, wenn es um die Regulierung von Versicherungsfällen geht. Was viele Versicherungskunden bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen haben, schlägt sich auch beim PKV-Ombudsmann nieder. Das restriktivere Vorgehen der Unternehmen beschert dem Schlichter zunehmend Arbeit. Im vergangenen Jahr gingen fast 4000 Beschwerden bei der Einrichtung ein, das waren 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

28,5 Prozent der Beschwerden endeten mit einem vollen oder teilweisen Erfolg der Beschwerdeführer. Das waren deutlich weniger als die 35,6 Prozent im Jahr 2006. Erfolglos bleiben etwa Beschwerden, die sich gegen Prämienerhöhungen richten.

"Aufgrund der rasant steigenden Gesundheitskosten ist es den Versicherern nicht mehr möglich, Kulanzleistungen in dem Umfang zu erbringen, wie dies noch vor einigen Jahren der Fall war", heißt es im Tätigkeitsbericht 2007 des PKV-Ombudsmanns. Das Amt hat am 1. November 2007 Dr. Helmut Müller, der frühere Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen, von Arno Surminski übernommen.

Versicherung soll für private Lebensführung zahlen

Seit Jahren schlage sich bei der Tätigkeit des PKV-Schlichters die allgemeine Tendenz nieder, Versicherer für die private Lebensgestaltung in Anspruch zu nehmen, schreibt der Ombudsmann. "So werden die Einnahme von Arzneimitteln als Dauerzustand, ebenso ständige psychotherapeutische oder physiotherapeutische Sitzungen immer mehr als Teil der allgemeinen Lebensführung angesehen." Als Beispiel nennt er Wunschbehandlungen im Krankenhaus, obwohl es eine ambulante Alternative gibt. Auch der boomende Gesundheitsmarkt mit Bereichen wie Wellness, Kosmetik und Nahrungsergänzungsmittel führe zunehmend zu Abgrenzungsschwierigkeiten.

Versicherte müssen sich auf mehr Prüfungen einstellen.

Dabei kritisiert der Ombudsmann auch Ärzte und andere Leistungserbringer: "Durch das Bemühen einiger Behandler, ihre Patienten zu umfangreicher Dauerbehandlung anzuhalten (Mengenausweitung), wird dieser Trend noch verstärkt." Um stabile Ausgaben und damit stabile Beiträge zu erreichen, versuchten die Versicherer, dem Anspruchsdenken der Kunden und der Leistungsausweitung von Seiten der Anbieter mit strengeren Prüfungen zu begegnen. "Das führt naturgemäß zu Konflikten zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, aber auch zu Differenzen mit Ärzten und Zahnärzten."

Die meisten Beschwerden von PKV-Kunden bezogen sich 2007 mit 80 Prozent auf die Vollversicherung. Bei ihnen ging es in 26,1 Prozent der Fälle um die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Leistung - sie spielte auch bei den Zusatzversicherungen mit 27 Prozent eine große Rolle. Als medizinischer Laie könne der Ombudsmann Streitfälle zur medizinischen Notwendigkeit nicht abschließend entscheiden. "Seine vermittelnde Tätigkeit beschränkt sich meist darauf, nochmals eine Überprüfung durch ärztliche Sachverständige anzuregen oder in Härtefällen eine Kulanzlösung vorzuschlagen."

Auseinandersetzen muss sich der Schlichter auch mit dem Streit über ärztliche und zahnärztliche Honorare. Diese Beschwerden machen in der Vollversicherung insgesamt 16,5 Prozent aus. Das sei ein "besonders unerfreulicher Teil" seiner Tätigkeit, schreibt der Ombudsmann. Die Gebührenordnungen seien komplex, und gebe es Gerichtsentscheidungen zum Thema, fielen sie sehr unterschiedlich aus. Der Ombudsmann begrüße daher die Bestrebungen, das Gebührenrecht zu reformieren und an die geänderten medizinischen Ansprüche anzupassen.

Oft versäumen die Kunden, Leistungszusagen einzuholen

Beschäftigen muss sich der Ombudsmann häufig auch mit der Abrechnung von Leistungen, die in gemischten Anstalten erbracht werden, also Kliniken, die nicht ausschließlich Akutbehandlungen erbringen, sondern auch Kur- und Rehabilitationsleistungen. Behandlungen werden von den PKV-Unternehmen in der Regel nur erstattet, wenn die Versicherten sich vor der Behandlung eine Leistungszusage eingeholt haben.

Der Ombudsmann hat die Unternehmen deshalb gebeten, die Versicherten besser über das Problem zu informieren. "Wünschenswert wäre es, wenn auch Ärzte und Krankenhäuser die Patienten über die Problematik der gemischten Anstalten aufklärten, damit die Versicherten keine Behandlung beginnen, ohne sich vorher über ihren Versicherungsschutz vergewissert zu haben."

2007 befasste sich die Schiedsstelle vermehrt mit Fragen von PKV-Kunden zur Gesundheitsreform. "Die privat Versicherten sorgen sich um den Bestand und die Finanzierbarkeit ihrer Versicherung, weil viele der Neuregelungen sie erheblich belasten."

STICHWORT

PKV-Ombudsmann

Seit Oktober 2001 können Kunden der privaten Krankenversicherer sich mit Beschwerden an den PKV-Ombudsmann in Berlin wenden. "Der Ombudsmann sieht seine Aufgabe darin, Streit zu schlichten und sachgerechte Kompromisse zu suchen", heißt es in seinem Tätigkeitsbericht.

Die Schiedsstelle kann eine Empfehlung aussprechen, Unternehmen und Kunden sind allerdings nicht daran gebunden. Hat der Kunde bereits ein Verfahren bei der Versicherungsaufsicht oder vor Gericht angestrengt, nimmt der Ombudsmann die Beschwerde nicht an. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 2007 rund 26 Wochen.

Weitere Informationen: www.pkv-ombudsmann.de

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